02.09.2016, Keine Zukunft ohne uns

Begrüßung der Gäste der Jubiläumsveranstaltung

 

Keine Zukunft ohne uns- so sagen wir selbstbewusst im deutschen Akademikerinnenbund und in diesem Geiste darf ich Sie alle herzlich zu unserer Jubiläumsveranstaltung zum 90. Geburtstag begrüßen.

Musikalisch werden wir heute und morgen vom wunderbaren Darius-Quartett begleitet.

90 - Das ist wahrlich ein großartiges Alter, mit einem großartigen Programm für die kommenden eineinhalb Tage:

Was erwartet Sie da alles:

die ehemalige Frauen- und Familienministerin, spätere Bundestagspräsidentin und unser Ehrenmitglied Prof. Dr. Rita Süssmuth spricht zu uns.

Edelgard Buhlmann, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und ehemalige Ministerin für Bildung und Forschung wird ebenfalls ein Grußwort sprechen. Sie ist ja auch unsere erste Preisträgerin des Sophie La Roche-Preises.

Wir verleihen diesen Preis in unserem Jubiläumsjahr diesmal an Prof. Dr. Martina Havenith-Newen von der Universität Bochum.

Unsere erste Vorsitzende Dr. Patricia Aden wird die Laudatio halten.

Um Frauenpolitik und ihren Bezug zur Gesellschaft wird es dann im ersten Festvortrag von Christine Morgenstern, der Abteilungsleiterin Gleichstellung im Bundesministerium für Familie. Senioren, Frauen und Jugend gehen.

Und dann von Ihnen sicherlich sehr erwartet: Prof. Dr. Sigrid Metz-Göckel mit dem Festvortrag: “Warum der DAB interessant und wichtig ist- Beständigkeit und Erneuerungsfähigkeit“ -  so ist der Vortrag benannt.

Das sind nur einige der High-Lights, heute werden unter der Moderation von unserer ehemaligen Vorsitzenden Prof. Dr. Elisabeth de Sotelo Prof. Dr. Claudia Kemfert und Dr. Patricia Graf zum Thema „Karrierewege von Frauen“ diskutieren.

Keine Zukunft ohne uns. Wie schön, dass wir in die Zukunft sehen können. Dass wir uns ganz sicher sein können, eine Zukunft zu haben.

Ich habe mich als Journalistin mein ganzes Leben lang aber auch mit den Geschichten und Lebenswegen von Frauen beschäftigt, die ohne Hoffnung  waren. Ohne Zukunft, ohne Ausweg, in einer Sackgasse. Weil Krieg war und ist, weil Gewalt ihr Leben dominierte, und: weil in ihrem Land Frauen nichts wert sind.

Und deshalb möchte ich die Gelegenheit zu Beginn einer solchen wunderbaren Jubiläumsveranstaltung nutzen, um über den Tellerrang zu blicken. Auf die Situation von Wissenschaftlerinnen, Akademikerinnen, engagierten Frauen außerhalb Deutschlands. Und oft: gar nicht wo weit weg. Zum Beispiel in der Türkei.

Schon lange ist Präsident Recep Tayyip Erdogan auf dem Weg  zu einem islamischen Staat. Jetzt, nach dem niedergeschlagenen Putsch des Militärs, spricht er von „reinem Glücksfall“-und schließt u. a. 15 Universitäten, 1000 Privatschulen. Im Bildungssektor sind 15 000 Beamte suspendiert, etwa 1 700 Dekane staatlicher und privater Hochschulen zum Rücktritt aufgefordert, fünf Rektoren verhaftet.

Der türkische Hochschulrat hat allen Hochschullehrern und Wissenschaftlerin die Ausreise verboten. Wer sich im Ausland aufhalte, solle so schnell wie möglich zurückkehren.

Die Frauen, mit denen Journalisten gesprochen haben, wollen aus Angst vor dem türkischen Staat nicht ihre Namen nennen. Man stelle sich das vor!

 Die Juristin, zur Zeit in Deutschland, zum Beispiel, beschäftigte sich immer schon auch mit dem Kurdenkonflikt. Da sei das Risiko einer Strafverfolgung

Immer gegeben. Etwa wegen „Beleidigung des Türkentums“ oder „Präsidentenbeleidigung“- Am schlimmsten, so berichtet sie, sei die Situation für Akademikerinnen, die bei einer türkischen Uni angestellt sind oder mit dem Stipendium des türkischen Hochschulrates im Ausland sind. Die müssen jetzt alle zurück. Wir reden hier von den besten Köpfen der Türkei, so sagt sie. Und befürchtet langfristig einen Braindrain, und: die Türkei drohe intellektuell und kulturell zu veröden.

 Die Soziologin fürchtet, dass es immer schwieriger werde, z. Beispiel über den Kurdenkonflikt zu publizieren. Und die Naturwissenschaftlerin berichtet von ihrem Schock, als sie zurück musste und gleich bei der Grenzkontrolle am Flughafen wie eine  Verbrecherin behandelt und beschimpft wurde. Jetzt darf niemand mehr ausreisen. Für die Studenten im Land sieht es bitter aus ahnt sie. Wer, so fragt sie sich, wird sie in Zukunft ausbilden, wenn wir nur noch in der eigenen Suppe kochen dürfen oder womöglich gar nicht mehr lehren und forschen können.

Ganz bitter sieht es aus für die 2000 Akademiker und Akademikerinnen, die Anfang dieses Jahres den Appell „Akademiker für den Frieden“ unterzeichnet haben. Da forderten sie die Regierung auf, endlich den Krieg im Südosten der Türkei zu beenden. Sie alle sind inzwischen ihre Jobs los, entlassen. Einigen droht ein Verfahren, Gefängnis, langjährige Haft.

Das sind nur einige Beispiele aus der Türkei. Wo wir ja immer Demokratie vermuten. Nicht so im Iran. Im letzten KONSENS habe ich noch begeistert von der iranischen Mathematikerin Maryam Mirzakhani berichtet, die als erste Frau mit der renommierten Fields-Medaille ausgezeichnet wurde. Jetzt scheint das Regime im Iran mal wieder große Angst vor weiblichen Wissenschaftlerinnen zu haben.

Die Frauenforscherin Prof. Dr. Homa Hoodfar ist bei einem Besuch in der Heimat- sie lebt und lehrt in Kanada- vom Geheimdienst verhaftet worden. Seitdem weiß keiner, wo sie ist. Die iranische Staatsanwaltschaft erklärte wenigstens auf internationalen Druck, dass Professor Hoodfar angeklagt sei wegen “versuchter feministischer Unterwandung und Sicherheitsfragen“. Sie, so ist den  regierungstreuen Medien zu lesen, habe eine „feministische Revolution“ gegen die Islamische Republik geplant.

5000 Wissenschaftler aus der ganzen Welt haben seither in einer Petition die sofortige Freilassung der Professorin gefordert. #FreeHoma heißt  der Hashtag bei Twitter.

Auch das - kein Einzelfall.

Wissenschaftlerinnen stecken in Syrien in Assads-Foltergefängnissen, wenn sie zu fortschrittliche und womöglich regierungskritische Thesen vertraten.

In den Flüchtlingslagern im Libanon, in Jordanien und in der Türkei sitzen unter den Millionen( ja, Millionen) Flüchtlingsfrauen auch viele, die an den Universitäten Syriens, oder Iraks studiert haben.

Sie kommen nicht vor, nicht zurück. Sie sitzen fest. Hier der Krieg und dort das inzwischen immer unerreichbarere Europa. Ganz zu schweigen von den Kindern, den Hundertausenden, die keine Zukunft haben, keine Schulbildung erfahren, eine lost generation....

Aber das wäre ein anderes Thema.

Keine Zukunft ohne uns- das heißt für mich aber: sich bewusst sein, wie es anderen ergeht.

Uns hier geht es jedenfalls gut. Wir haben spannende Vorträge vor uns, hören schöne Musik und werden uns ganz sicherlich anregend miteinander unterhalten.

Freuen Sie sich jetzt mit mir auf

Elisabeth de Sotelo, Claudia Kempfert und Patricia Graf: Karrierewege von Frauen.