28.05.2018, MeToo II für Rotary

Vortrag bei Rotary Hamburg-Wandsbek

Das Thema stand ja schon mal auf der Vortragsliste. Wir haben das gemeinsam mit der Präsidentin damals abgeräumt für die aktuelle Diskussion nach dem Scheitern der ersten Koalitionsrunde...das war im November. Aber mein Kollege id fReund Kai Gniffke ist ein beharrlicher nicht nur Journalist sondern auch Vortragswart.

So ist es jetzt  Mai, und das Thema ist nicht aus den Schlagzeilen. Es hat sich nur verlagert, quasi von Hollywood und den Harvey Weinsteins bis in die deutsche Film-Szene und den Geschichten um Schattenmänner und Dieter Wedel.  Und vor allem inzwischen mitten hinein in unsere ganz normale Gesellschaft. Und das ist gut so.

 

Wir sind längst darüber hinaus, uns über den Hashtag-Krieg  MeToo  aufzuregen. Nein, wir erfahren aus dem Alltag, wie es überall in der Gesellschaft Frauen ergeht. Statt Me Too also jetzt: Us Too.

Denn dass Schauspielerinnen am Set belästig werden, wissen wir längst. Jetzt erzählen Kellnerinnen, Sekretärinnen, Verkäuferinnen und Zimmermädchen. Auch, was sie von der Sexismus –Debatte halten.

Ich will Ihnen da einfach ein paar Zitate vorlesen, von Frauen, die dazu stehen was sie erzählen, die sich nicht im Internet verstecken und die ihre Namen und ihre Gesichter nennen:

Die Polizistin: „Sie wollten mir an die Wäsche. Ich wehrte mich. Polizistin will ich werden, nicht schwanger“.

Die Supermarkt-Kassiererin: „T-Shirts mit V-Ausschnitt ziehe ich nicht mehr an, Blusen knöpfe ich bis oben hin zu“.

Die Zugbisto-Chefin:“ Der Mann ist ein Neandertaler. Sieht er Arsch und Titten, dreht er durch“.

Die Krankenschwester: „Mir zeigt „MeToo“ wie krass das Machtgefälle ist. Der eine hat zu viel Macht, der andere zu wenig. Wer sie hat, wird böse und missbraucht sie für den eigenen Vorteil, da ist es egal ob man Mann oder Frau ist. Das Matriarchat ist nicht die Alternative. Hierarchien abschaffen wäre eine“.

 

Ich könnte noch lange zitieren. Es ist unfassbar. Und eine Professorin an der Frankfurter Goethe-Universität bringt es auf den Punkt: „Die Menschen haben die Nase voll von Männern, die ihre Macht ausnutzen und rücksichtlos handeln“. Sie sagt: die Menschen haben die Nase voll..... Damit meint sie Männer und Frauen.

 

Ich komme, wie Sie wissen,  aus  dem Tageszeitungs- und Fernsehbusiness. Sehr oft die einzige Frau in der Redaktion, im Bayerischen Rundfunk, nicht im ZDF, da waren wir bei ML Mona Lisa nur Frauen. Später aber wieder im Ausland im Studio London, in Tokyo, im NDR als Direktorin.  Einzige Frau mit neun wunderbaren Direktoren...Im Vorfeld dieses Vortrages habe ich mit vielen Kolleginnen in Berlin, in München, in Hamburg und Köln gesprochen. Wir sind uns alle einig: endlich hat das Schweigen ein Ende, endlich wehren sich die Frauen- und Männer. Aber auch: wir scheinen alle in der gleichen Echokammer zu sitzen. Denn die von mir befragten Kolleginnen haben sich alle gewehrt. Gleich, sofort, lautstark. Und es nicht zu einem Übergriff kommen lassen. Jede sagte: ich kenne das, zur Genüge, aber bei mir ist keiner gelandet. Ich habe das schnell und klar verhindert.

 

Ich verstehe es sowieso nicht: Wieso folgt eine Schauspielerin  der Einladung eines Produzenten abends in sein Hotelzimmer. Der macht im Bademantel auf- und sie kehrt nicht auf der Stelle um, wenn sie schon dort anklopft? Alle, die ich gesprochen habe, haben anzügliche Situationen in ihrem Berufsleben erlebt. Aber sie gehen ganz anders damit um. Frech, deutlich, klar und unmissverständlich. Und: nicht jeder sexistische Kommentar muss gleich zu sexualisierter verbaler Gewalt hochstilisiert werden.

 

Im Augenblick wird über Geschehnisse in meiner Branche, im WDR diskutiert. Da haben wohl zwei WDR-Korrespondenten jahrelang Kolleginnen belästigt.

Die Führungsriege ging damals den anonymen Anschuldigungen kaum nach. Ganz im Gegenteil: der Kollege, der quasi als Whistleblower gewirkt hat, bekam auch noch eine Abmahnung. Inzwischen ringt sich die Kollegin und Chefredakteurin Sonia Mikich zu der Frage durch: wie man aus Machos bessere Menschen machen kann....wird wohl nicht gelingen.

 

Vorfälle wie diese müssen ernst genommen, aufgeklärt werden. Dafür gibt es Personalräte, Führungsebenen, die teuere Schulungen mitmachen und vor allem müssen Unternehmen eine Atmosphäre der Offenheit, der Transparenz und Fairness pflegen. Wenn die jungen, aufstrebenden Journalistinnen oder auch Sekreträrinnen sich nicht trauen, ihre Namen zu nennen, weil sie Angst haben dann ausgegrenzt zu werden, gar nicht mehr weiter zu kommen und vielleicht sogar den Sender verlassen müssen- dann läuft was richtig schief. Hier müssen die Verantwortlichen aktiv werden. Wer sich hier versteckt hinter vagen Formulierungen, die Dingen einfach weiterleitet ohne Wiedervorlage, der ist mit beteiligt an diesen Machtspielchen. Ich kann mir übrigens nicht vorstellen, dass das in meiner Zeit im NDR möglich gewesen wäre....und wenn solche Vorgänge passiert sind, dann wurden sie thematisiert, die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen.

 

Ein ungutes Gefühl habe ich, wenn eine Fernsehkollegin erzählt, der Sendeleiter habe sie als Ansagerin  „bedrängt und genötigt“. Das war wohl so im ZDF geschehen. So sehr, dass sie sich vor ihm geekelt habe. Aber dann nicht seinen Namen zu nennen, Butter bei die Fische, heißt das, denke ich hier im Norden, das erscheint mir dann eher so, als wolle die Kollegin nur  die Schlagzeile in der Bild-Zeitung sein. Wenn ich mich wehre, dann klar und deutlich, und ich muss Ross und Reiter nennen.

Die handfeste Uschi Glas imponiert mir: als ein Schauspieler bei einer Kussszene ihr die Zunge tief in den Schlund zu stecken meinte, hat sie sofort den Dreh abgebrochen, den Kollegen vor dem ganzen Team zur Schnecke gemacht und sich das verbeten. Es war ihr einziges Erlebnis dieser Art, wie sie heute einräumt...

 

Wie können wir erreichen, dass Mädchen, Töchter, Frauen sich wehren. Es nicht zulassen, dass Männer sie angrabschen, unter Druck setzen, vergewaltigen? Ich bin überzeugt, das geht nur durch Bildung. Ich habe in den Ländern, in denen es laut UN am gefährlichsten ist, als Mädchen geboren zu werden, die Situation der Frauen und Mädchen recherchiert. Sie sind dort nichts wert, sind Ware,  Mann, kann sie kaufen, verkaufen, vergewaltigen, schlagen, missbrauchen, verunstalten...das ist so in Afghanistan, in Indien, ja auch da und im Kongo. Diese drei Länder führen die lange UN-Liste an. Wenn Mädchen dort gleichberechtigt wie Jungen in die Schule gehen dürften und könnten, wenn sie Bildung erfahren würden, dann könnten sie sich wehren.

Unter den Us Too-Frauen erzählt auch die Fleischfachverkäuferin:

„Mein Vater ist Türke, meine Mutter Britin. Sie brachten mir bei: Niemand fasst dich dort an, wo Du es nicht willst. Die Frau ist kein Stück Fleisch.“ So wehrte sie sich in der Metzgerei, ging zum Chef, organisierte sich Zeugen und der Mann, der ihr mehrfach auf den Hintern geschlagen hatte, arbeitet inzwischen in einer anderen Abteilung.

 

Der Filmmogul Harvey Weinstein war wohl ein besonders widerliches Beispiel eines mächtigen Mannes, der rücksichtlos seine Machtposition ausgenutzt hat und Frauen benutzte. Er hat seine Quittung bekommen. Das ist das Gute daran. Und Ronan Farrow, der Sohn von Mia Farrow und Woody Allen hat jetzt für seine Recherchen den renommierten Pulitzerpreis in New York  bekommen. Er hat aber auch ganz schön Durchhaltevermögen zeigen müssen:  Erst im Oktober 2017 hat der New Yorker  seinen Bericht veröffentlicht.  Schon ein Jahr früher hat der junge Journalist und studierte Jurist versucht seine Recherche-Ergebnisse mit den Klarnamen der 300 interviewten Frauen zu publizieren. Sein Sender, NBC, hatte nicht den Mut gegen den allmächtigen Produzenten Harvey Weinstein dagegen zu halten. Der mit einer unglaublichen Maschinerie und Armada an Juristen, Druckmitteln bis hin zu Erpressung versuchte, die Veröffentlichungen zu verhindern. Das ist jetzt Geschichte. Und wir lernen daraus: es reicht wenn ein einziger Mensch aufsteht, nicht nachgibt, durchhält....

 

Ich habe in einem britischen Magazin  zu diesem  Thema einen hübschen Artikel gefunden: Überschrift: Ist es die schlimmste Zeit ein Mann zu sein ?? Der männliche Autor, klar, stellt sich da einige nachdenkliche Fragen: war ich immer, ganz ehrlich, eine gute Person? Habe ich nie irgendetwas gesagt, das als sexistisch verstanden werden könnte? Verdiene ich es tatsächlich so erniedrigt zu werden, als Mann, quasi bildhaft für alle Männer?

 Er schämt sich für Donald Trump und seine „locker room talks“, dass der über Frauen  einfach sagen kann: „ I can grab them  into the pussy“,  und trotzdem gewählt wird.

Am Ende seines Textes wird der Autor dann ganz nachdenklich und findet, es sei nicht die schlimmste Zeit, ein Mann zu sein, sondern eine extrem  verunsichernde. Verunsicherung aber findet er prima, denn auf eine Verunsicherung folgt seiner Erkenntnis nach der wirkliche Wandel. Und er sei glücklich als Mann Teil eines wirklichen Wandels zu sein.

 

Und wenn Sie sich jetzt alle hier fragen: was mache ich, der Mann,  mit meiner Unsicherheit im Umgang mit Frauen? Ein Tipp: behandeln Sie Frauen so, wie Sie ihre Töchter, ihre Ehefrauen, ihre Mütter behandelt haben möchten. Dann liegen Sie richtig.