19.11.2011, TV-Frauen sichtbar - aber ohne Einfluss

Mediummagazin

Sicher-Fernsehen ist ein äußerliches Medium

„Frauen müssen schön sein, weil Männer besser sehen als denken können“ - einer meiner Lieblingssprüche, wenn es mal wieder in irgendeiner Diskussion um die Präsenz von Frauen auf dem Fernseh-Schirm geht. Da regen sich dann die Herren auf und die Damen grinsen.

Dabei hat sich manches geändert, seit ich im März 1980 im damals zarten Alter von 34 Jahren meine erste „Rundschau“ im Bayerischen Fernsehen moderiert habe. Damals haben viele Zuschauer vor allem die Farbe der Bluse moniert, die Frisur kritisiert, den Lippenstift kommentiert. Zu den Inhalten kam wenig. Fernsehen, das wurde mir spätestens da klar, ist ein äußerliches Medium. Das Bild überlagert Texte. Die Gesten noch so fein formulierte Sätze. In einem Seminar habe ich dann später auch noch gelernt, wieviel wir als Zuschauer über den sogenannten „weißen Fleck“ aufnehmen: 75 Prozent der Informationen erreichen uns nonverbal. Über Farben, den Bildaufaufbau, das „Layout“ einer Sendung. Darum ist das „Äußere“ eben wichtig.

Auch heute sehen wir unverändert viele hochattraktive und intelligente Frauen auf dem Schirm. Als Moderatorinnen, als Talkmasterinnen. Immer mehr auch als Reporterinnen vor Ort oder in Krisen- und Kriegsgebieten an der Front. Das ist neu. Das ist gut so.

Endlich können Reporterinnen vor Ort auch mal verwurstelte Haare haben

Denn während die Moderatorinnen und Talkerinnen  im Studio ein perfektes Bild abgeben, ist es inzwischen jedem Zuschauer klar, dass eine Reporterin während des Krieges in Libyen,  bei einem Bericht von der dramatischen Hungerkatastrophe am Horn von Afrika oder nachts im Norden Japans nach dem Tsunami nicht gestylt sein muss. Da hört und sieht der Zuschauer dann wirklich nur auf den Inhalt, alles andere wird unbewusst wahrgenommen: Die verwurstelten Haare im Wind, das zerdrückte Hemd, dass kaum geschminkte oft müde Gesicht. Endlich kann ich nur sagen, ein Fortschritt. Content toppt Frisur!
Diese Reporterinnen sind fast alle  - wie ihre männlichen Kollegen - festangestellt. Sie  werden im Sender ihren Weg machen. Vielleicht sogar in eine Leitungsposition, wo Auslanderfahrung, Auslandseinsätze geschätzt sind. Auf der Leiter nach oben helfen.

Anders freilich die  Sprecherinnen der Tagesschau oder  ZDF- heute, die Moderatorinnen der Nachrichtensendungen und News-Formate. Die sind , im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen, meist frei und mit Jahresverträgen an die Sendung gebunden. Und da beginnt aus meiner Sicht für viele das Problem.

Wann endet für Frauen die Bildschirmpräsenz?

Meine ehemalige  MLMona Lisa-Mitstreiterin und jetzt heute-Moderatorin Petra Gerster hat zu dieser Thematik ein kluges Buch geschrieben:“Reifeprüfung-  Die Frau von 50 Jahren“. Sie stellt gnadenlos die zentrale Frage: Wann ist Frau im Fernsehen alt? Und räumt in einem späteren Kapitel ein, dass sie sich mit vierzig Jahren die Schlupflider habe korrigieren lassen. Mehr ist nicht von ihr zu weiteren Korrekturen am Gesicht zu lesen.  Denn wie für alle  Fernsehfrauen oder Schauspielerinnen gilt auch hier: kein Sterbenswörtchen über Facelifts oder sonstige Korrekturen. Egal was die anderen hinter einem Rücken tratschen und ratschen.Ganz selten sind Printmagazine so gemein, und stellen die Fotos aus den vergangenen Jahrzehnten in einer Reihe nebeneinander. Da gibt es bei einigen doch gewaltige Veränderungen. Man mag gar nicht glauben, dass das nur auf das Konto gesundes Leben, viel Wasser trinken und guter Schlaf gehen könnte.
Petra Gerster schreibt in ihrem Buch viel über die vermeintlichen Verfallsdaten von Fernsehgesichtern. Natürlich nur von Frauen. Denn weder bei einem Erich Böhme, noch bei einem Uli Wickert oder Gerd Ruge  ist je über Tränensäcke oder Nasenlabialfalten, über graue oder zu wenige Haare oder eine nicht mehr so deutliche Aussprache auch nur ein Wort verloren worden.

Bei Männern redet keiner von Tränensäcken

Wo ist eigentlich der Unterschied? Warum müssen Frauen auf dem Schirm eben doch schön sein - und bei Männern reicht es wenn sie interessant sind ? Wir werden uns alle - das ist mir längst klar - nicht so schnell ändern in unserer über Jahrhunderte  tradierten  Wahrnehmung. Aber wir können uns  als Frauen auf dem Fernsehschirm  klug entscheiden. Damit meine ich auch: wie Männer rechtzeitig Verantwortung übernehmen. Aus dem freien Mitarbeiterverhältnis in eine Festanstellung springen. Sicher- die „Süßlupinen“ wie Moderationen bei großen Veranstaltern, gut dotierte Vorträge und ähnliches- die fallen dann weg. Was sich jeden Monat auf dem Bankkonto zeigt. Aber: eine Festanstellung für eine Fernsehfrau ist nicht nur Sicherheit für die Zeit nach dem Job ( und die kommt, glauben Sie´ s mir!) mit einer meist ordentlichen Pension. Sondern sie ermöglicht auch Leitungsfunktionen, Entscheidungsmöglichkeiten. Unter anderem auch darüber, wenn jemand eine Sendung nicht mehr moderieren soll, ausgewechselt wird gegen vielleicht eine jüngere Kollegin. Ich fordere darum stets alle Frauen in den privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern auf, Leitungspositionen anzustreben, mitzuentscheiden. Und quasi von der Basis her dafür zu sorgen, dass eben niemand wegen vermeintlicher Falten oder zu altem Aussehen vom Schirm muss.

Frauen auf dem Schirm brauchen ein zweites Bein

Es kann doch nicht sein, dass bis heute überall nur Männer entscheiden?  Zwei Intendantinnen, Dagmar Reim vom RBB, Monika Piel vom WDR und Anke Schäferkorth bei RTL als Chefin und vielleicht jetzt Carola Wille beim MDR  machen noch keinen Frühling in den bis heute zu 89 Prozent von Männern besetzten Führungsetagen der deutschen Fernsehsender.
Aber sehen wir uns einmal die Talklandschaft genauer an: zwei der neu eingeführten fünf ARD-Talks werden von  begabten und schönen Frauen geleitet: Sandra Maischberger und Anne Will. Beiden gehört auch die Produktionsfirma, die ihre Talkreihe erstellt, im Auftrag der ARD. Bei Sandra Maischberger ist auch ihr Mann beteiligt. Was sich als kluger Schachzug erweist, weil die beiden hochgeachtete und mit Preisen überhäufte Dokumentationen produzieren. Hier baut sich also die Fernsehfrau Maischberger ein zweites Bein auf, das sie unabhängig von ihrem Alter und dem Votum der ARD-Hierarchen weiter im Job sein lassen wird. Auch Anne Will besitzt die Produktionsfirma ihrer Sendung. Auch ihre Verträge werden alle zwei, drei Jahre vom federführenden ARD-Intendanten den Rundfunk-Gremien zur Verlängerung vorgelegt. Aber das ist eben keine Garantie bis zu einem Eintritt in das „dritte Leben“, wie ich den  Ruhestand oder die Pensionszeit lieber nenne.

Frauen sollten Führungspositionen anstreben

Die anderen drei ARD-Talker Frank Plasberg, Reinhold Beckmann und seit diesem Herbst auch Günter Jauch arbeiten nach demselben Muster: sie besitzen die Produktionsfirma, die ihren Talk erstellt, produzieren dort  aber noch andere Formate für andere Sender. Sie sind also breiter aufgestellt, um im Falle einer Absetzung ihrer Sendung nicht in ein finanzielles Loch zu fallen. Das ist auf alle Fälle ein tragfähiges Konzept für die Zukunft. Aber bei diesen dreien wird es wohl nie um ihr Alter und ihr Aussehen, sonst höchstens um nicht erfüllte Quotenvorstellungen gehen.

Bei Frauen ist das bis heute anders. Das mag man anklagen, bedauern , ist aber nur langsam  zu ändern. Dafür  müssen Frauen im Fernsehen nicht nur vor der Kamera präsent sein,  sondern vor allem auch innerhalb der Sender Entscheidungspositionen erobern. Sie sind nicht schlechter als die Männer, wie denn auch? Sie müssen nur zupacken. Jedes Jahr stellen die Führungsriegen der Fernseh-Sender fest, dass mehr begabte junge Frauen alle Hürden für ein Volontariat genommen haben als männliche Anwärter. Wenn die dann auch noch gut aussehen, eine Sprechausbildung gemacht haben, dann dauert es nicht lange, bis ein Fernsehhierarch zupackt und diese junge Frau vor die Kamera setzt. Die Freude ist riesengroß, der Spaß auch, es kommen die ersten zusätzlichen Angebote vom freien Markt. Der Rubel rollt…..wenn dann auch noch der richtige Partner auftaucht, das erste Baby auf der Welt ist, scheint alles palletti. Nur- was, wenn die junge Mutter beim moderieren älter wird? Der Partner dagegen reifer und längst festangestellt die Sicherheit der Familie garantiert? Spätestens da sollte sich jede Fernsehfrau Gedanken über ihre Zukunft machen. Entweder tatkräftig finanziell vorsorgen und sparen. Oder den schon beschriebenen Weg gehen und sich fest anstellen lassen. Es gibt sie, die Vorgesetzten, die Frauen einstellen! Nur Mut!! Sicher, manchmal ist der Preis dafür, nicht mehr auf dem Schirm zu erscheinen. Na und?

In den USA und in UK sind Frauen viel länger zu sehen

Wobei ich überzeugt bin, dass ein mehr an Frauen in Führungspositionen der Sender  dafür sorgen wird, dass eben nicht mehr hinter dem Rücken getuschelt wird über vermeintliches Lifting, über zu viele Falten oder einen „dringend anstehenden Wechsel“ auf dem Schirm.
In den Vereinigten Staaten  hat sich  das längst so entwickelt. Barbara Walters, die erste Nachrichtenfrau und Anchorwoman der USA und Starmoderatorin der Politsendung „60 Minutes“ moderierte ihre eigene Talksendung bis sie Mitte siebzig  war. Christiane Amanpour, Jahrgang 1958, wurde zehn Jahre von CNN  in Krisen- und Kriegsgebieten eingesetzt, bis sie vor einem Jahr die wöchentliche Nachrichtensendung am Sonntag von ABC als Moderatorin übernahm.  Ophray Winfrey, Jahrgang 1954, hat sich erst in diesem Jahr als wohl erfolgreichste US-Talkerin vom Schirm zurückgezogen.

Auf dem Schirm sollte sich die Wirklichkeit abbilden

Wir in Deutschland werden alle älter. Nach Japan gibt es in keinem anderen Land der Welt so viele ältere Menschen. Endlich haben die Fernsehsender ihre bisher beliebte werberelevante Zielgruppe von 14 bis 49 Jahren revidiert und erkannt, dass auch über 50jährige denken und entscheiden können. Und Zeit haben, einzukaufen! Wir sollten also auf dem Fernsehschirm ein Ebenbild unserer Wirklichkeit erleben dürfen. Nicht geklonte junge Menschen, die wiederum unseren Kindern und Enkeln suggerieren, dass man nur krachdürr, strohblond und mit aufgeplusterten Lippen eine Chance im Leben hat. Auf Frauen, gehen wir´s an!