05.09.2023, Adieu, Du hast für die Frauen in diesem Land so viel bewegt

Nachruf auf Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit

Von Heinrich Böll Stiftung from Berlin, Deutschland - Lore Marie Pescher-Gutzeit, CC BY-SA 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=12067609

Von Maria von Welser
Publizistin und TV-Journalistin

Eigentlich wollte sie ihren 91.Geburstag in wenigen Wochen nochmal groß feiern. So wie ihren 90. Im Berliner Capital- Club: die Juristin und Frauenrechtlerin Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit. Aber jetzt war plötzlich alles zu Ende: ein Sturz vom Rollstuhl in ihrem Büro, lange Zeit niemand der ihr aufhalf, dann eine Embolie und in der Klinik dann der Tod. In den letzten Wochen durfte ich sie nochmals interviewen.

 

Nach dem schrecklichen Unfall 2019 an einer Tankstelle, als ein junger LKW-Fahrer sie rückwärts überfuhr. Ein Jahr Charité und Reha, keiner glaubte, dass Sie das überhaupt schaffen würde.

Als die Polizei zu diesem schrecklichen Unfall kam, fragten sie die schwer verletzte Frau, ob sie denn Anzeige gegen den Fahrer erstatten wolle. Der auf einer Bank von Weinkrämpfen geschüttelt saß. Aber das wollte sie nicht, sie wollte nicht seine Zukunft zerstören, wie sie im Interview erklärt. Aber die Juristin ist und bleibt eine Kämpferin. Im RollStuhl und am Rollator, mühsam gebückt gehend, war sie dann nur ein Jahr später wieder drei Tage die Woche in ihrer neuen Kanzlei am Kurfürstendamm 63. Es war wie ein Wunder. Voller Humor beschrieb sie ihren Gang an ihrem 90.Geburtstag „wie die Hexe in Hänsel und Gretl“. Schließlich hatten ihr die Ärzte an acht zerbrochenen Rückenwirbeln
Titan implantiert.

So litt sie unverändert an heftigen Schmerzen. Aber wollte auch keine Tabletten mehr einnehmen. Dazu trug sie Stützstrümpfe, die ihr jeden Morgen und Abend ein Pfleger an- und auszog. Auch damit sie in ihre Kanzlei fahren konnte. Mir sagte sie im Interview: “ Meine Mandanten wollen von mir persönlich betreut werden“. Also ließ sie sich von drei jungen Fahrern nicht nur in die Kanzlei, sondern auch zu Gericht fahren. Vorausgesetzt das Gericht ist barrierefrei. Ihre Fälle wurden immer mehr. Vor allem rund um das Familienrecht. Schließlich präsentierte sie mit ihrem Wissen, ihrem Können das geballte Frauenrecht, war die Gleichberechtigung in Person. Nicht umsonst hat sie ihr Buch schon im Jahr 2012 betitelt: „Selbstverständlich gleichberechtigt“. Ihr Motto nach 30 Jahren als Richterin und dann als als erste Senatspräsidentin des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg.

Dann der Sprung in die Politik als Justiz-Senatorin in ihrer Heimatstadt. Schließlich ebenfalls Justiz-Senatorin in Berlin, und schließlich als Fachanwältin in der Berliner Kanzlei Kärgel/de Maiziere. An ein Aufhören hat sie nie gedacht, Ruhestand oder Pensionisten-Dasein, das war nicht und nie ihr Ding. Unzählige Gesetze hat sie auf den Weg gebracht, diese im Bundestag vertreten, als Vorsitzende des Deutschen Juristinnenbundes für Parité, also Gleichheit in den Parlamenten gekämpft. Sich dafür eingesetzt, dass die Kinderrechte endlich ins Grundgesetz aufgenommen werden können und dass pflegende Frauen einen Rentenanspruch gewinnen.

Das Ehegattensplitting war ihr ein Dorn im Auge, wie kann es denn gerecht sein, so argumentierte sie noch wenige Wochen vor ihrem Tod, dass die Männer das große Geld verdienen, die Frauen zuhause sind und nicht arbeiten und das Ganze dann zusammengerechnet wird bei der Steuer. Zum Wohle des Mannes.

Die drei Kinder aus ihrer zweiten Ehe sind „groß“. Aber nicht nur sie werden ihre Mutter vermissen. Denn Lore Maria Peschel-Gutzeit ist und bleibt in unser aller Erinnerung eine außergewöhnliche,
einfach wunderbare Frau.

Adieu Lore Maria.
Du hast für die Frauen in diesem Lande so viel bewegt.