07.09.2015, Zum Schluß noch Schüsse und eine Verhaftung

Tagebuch 6 aus Kurdistan

Wir haben uns noch bei einem netten Essen von unseren Helfern Mansur und der Übersetzerin Feray verabschiedet. Peter lädt die Fotos im Computer hoch und ich finde noch einen Kelim für Klaus. Schließlich haben wir Hochzeitstag, wenn ich zurückkomme.

Ich packe noch alles am Abend und falle ich in Tiefschlaf. Aus dem mich Peter wild klopfend weckt: “Raus hier, das Hotel brennt“. Schnell die Jeans drüber, Mobile phone und Geldtasche mit Pass an den Bauch und raus. Es ist alles voller Rauch. Aber vor dem Hoteleingang stellen wir fest, es ist der Rauch der Gewehre der PKK, die die nur 500 Meter entfernte Polizeistation angreifen. Gestern schon hat uns eine Polizeikontrolle nach der anderen signalisiert: hier beginnt wohl wieder Krieg. Zwischen der PKK und den Türken, ausgetragen auf den Schultern der unschuldigen Kurden. Vor einem Tag hatte die PKK eine andere Polizeistation überfallen und einen Polizisten erschossen. Jetzt geht es wohl rund.

An tiefen Schlaf ist bei den Gewehrsalven nicht mehr zu denken. Am nächsten Morgen ist zwar Ruhe, aber eine angespannte Stimmung. Peter geht noch mal „gucken“ wie er sagt. Ich schaffe alles runter in die Lobby, damit wir schnell weg sind. Da kommt eine SMS: “Bin auf der Polizeistation- sie checken mich“. Jetzt brauche ich keinen Kaffee mehr, das Adrenalin steigt. Schnell bezahlt und rüber zur Poizei. Aber- kein durchkommen. Hundertschaften mit Schutzwesten und Gewehren im Anschlag sichern das Gelände.  Wieder eine SMS: “Alles ok, kannst ins Ruhe abfliegen“. So ein Quatsch, ich werde ihn zurücklassen? Jetzt versuche ich ihn anzurufen und tatsächliche- er kann ans Telefon gehen. „Ich schcke Dir einen Polizisten, der holt Dich rein“.  Wenige Minuten später kommt einer, fragt nach Namen und Herkunftsland, durchsucht meinen Rucksack und bringt mich zu Peter. Vier Beamte durchsuchen seinen Rucksack, klicken sich durch seine Bilder. Diskutieren hin und her. Da gibt mir einer seinen Pass wieder, und seinen Presseausweis. Sieht also gut aus, vielleicht schaffen wir doch noch den Flieger um 11.50 Uhr. Es dauert noch- und dann: Merhaba und Spas, wir sind draußen. Uff. Das war knapp. Ein Beamter hat Peter erzählt, warum ihn drei Polizisten mit Gewehren im Anschlag beim „Gucken“ kassiert hätten. Sie haben inzwischen Angst vor ausländischen ISIS-Selbstmordattentätern. Und Peter hatte seinen immensen Kamera-Rucksack geschultert....

Jetzt aber nichts wie zum Flughafen, einchecken und raus aus diesem Gebiet. Wir wissen heute, dass andere Journalisten länger inhaftiert worden sind. Dass die türkischen Polizei hochsensibilisiert ist und alles andere als zimperlich mit vermeintlichen Feinden umgeht. Abflug nach Istanbul. Selten so gerne in einem Flugzeug gesessen.