27.07.2011, Das Drama am Horn von Afrika

Vortrag vor dem Rotary-Club Hamburg-Blankenese

Ich habe 24 Minuten Redezeit- und in dieser Zeit werden am Horn von Afrika vier Kinder sterben. Alle 6 Minuten eines.  Es ist die größte humanitäre Katastrophe seit 20 Jahren. 12 Millionen Menschen brauchen dringend Nahrung, sauberes Wasser, sanitäre Einrichtungen und eine Matte in einem Zelt. Darunter  2,5  Millionen Kinder.
Allein in Dadaab, dem größten Flüchtlingslager der Welt sitzen rund 400 ooo Menschen in der Hitze auf dem Sandboden und warten auf erste Hilfe, nach einer tagelangen, dramatischen Flucht. Sie warten auf ein Plastikbändchen, das ihnen einen Platz in der Schlange vor der Wasserausgabe, vor der Medikamentenausgabe , vor der Essensausgabe sichert. Das Lager war mal für 90 000 Menschen eingerichtet worden.

Der statistische Begriff von "Hungersnot"


Die Vereinten Nationen haben eine Hungersnot ausgerufen, und das gilt dann, wenn entweder zwei von 10 000 Erwachsenen oder vier von 10 000 Kindern verhungern.Statistik!
Besonders gefährdet und vom Tode bedroht sind die Kinder. Hundertausende sind bereits sind vom Hunger so gezeichnet, dass ihre Überlebenschance nur noch bei 40 Prozent liegt. Sie brauchen therapeutische Spezialnahrung für schwer mangelernährte Kinder, die heißt F 75 und F 100 Milch, sowie Ready to use Therapeutic food, RUTF. UNICEF hat allein im ersten Halbjahr dieses Jahres in Somalia über 100 000 mangelernährte Kinder so vor dem Tod retten können.
Aktuell werden derzeit 70 000 mangelernährte Kinder betreut, und in den nächsten sechs Monaten sollen und müssen insgesamt drei Millionen Menschen Zusatznahrung von UNICEF erhalten. Wenn sie überleben sollen….

Fünf Jahre Dürre und zwanzig Jahre Krieg

Wie konnte das geschehen, was ist passiert? Dass wir alle jetzt richtig hingucken hat natürlich mit den Medien zu tun. Schon Monate vorher haben wachsame Hilfsorganisationen vor einer Hungerkatastrophe gewarnt. Man konnte es sich an den fünf Fingern abzählen: ein Drama mit Ansage. Es herrscht seit fünf Jahren Dürre, aber erst wenn Menschen sterben sehen wir hin. 
Seit fünf Jahren fällt kein Regen, wächst kein Getreide,  Tiere und Menschen hungern. Und ziehen durch das Land auf der Suche nach besseren Weidegründen, nach Brunnen. Fachleute sagen, es hängt mit dem Klimawandel zusammen.
Dazu kommt: Zwanzig Jahre Bürgerkrieg, der die somalische Hauptstadt verwüstet hat.  Wir erinnern vielleicht alle noch die Bilder der landenden Amerikaner vor der Küste, die damalige Aktion der Supermacht endete mit einem Fiasko. Milizen schossen einen US-Hubschrauber ab, zerrten geköpfte Soldaten durch die Sandstrassen. Black Hack Down….

Länder ohne Geld und ohne Notvorräte


Äthiopien, Somalia und Kenia haben keine Notvorräte angehäuft. Warum? Weil die Preise für Grundnahrungsmittel explodiert sind, Weizen und Reis kostet doppelt so viel wie vor einem Jahr. Weil die Hedgefonds und Großbanken nach der Finanzkrise auf die Agrar - Rohstoffbörsen umgestiegen sind. Die machen damit legal astronomische Profite.
Aber die Äthiopier können sich, obwohl sie wissen, dass der Abstieg in die Agonie begonnen hat, keine Notvorräte leisten.
Zweitens macht die Auslandsüberschuldung unmöglich, infrastrukturelle Verbesserungen voranzubringen. Dass in Äthiopien nicht einmal vier Prozent des Agrarbodens bewässert werden, ist unfassbar.

Die Milizen kassieren, wie überall in der Welt

Ebenso: Dass Afrikaner andere Afrikaner einfach so verhungern und verdursten lassen,  die Hilfsorganisationen nicht helfen lassen, das mögen wir auch nicht begreifen. Die islamischen Al-Shabaab-Milizen in Somalia tun das und noch mehr: sie klauen und nehmen sich für sich , was sie kriegen können… da kämpfen dann Milizen gegen Milizen und diese wiederum gegen die Übergangsregierung in Mogadischu.

UNICEF ist direkt bei den hungernden Menschen


In Somalia ist UNICEF eine der wenigen international tätigen Organisationen. Die Hilfsprogramme für die Menschen werden aber auch von den UNICEF-Länderbüros in Kenia, Äthiopien und Dschibuti durchgeführt. Insgesamt sind im Augenblick 300 UNICEF-Mitarbeiter nur mit der Organisation der Nothilfe beschäftigt.
Im Lager Dabaab startet jetzt eine Impfkampagne gegen Masern und Kinderlähmung. Die geschwächten Kinder sind besonders gefährdet. Es werden dazu tausende von Entwurmungstabletten und Vitamin-A-Tabletten verteilt. Ärzte ohne Grenzen unterstützt UNICEF bei der Identifikation von mangelernährten Kindern. Die müssen absolute Priorität haben.


Ohne Wasser kein Überleben

Dazu ist Wasserein großes Problem (siehe Vortrag "Wasser ist Leben") . Sauberes Trinkwasser. Letzte Woche sind zehn zusätzliche Brunnen mit Tanks ausgestattet worden, dazu wurden Leitungen gelegt, und 3000 Keramikfilter zur Wasseraufbereitung in die Krisenregionen geschickt.
Tankwagen fahren durch die Dürreregionen. Die UNICEF-Leute sagen, sie hätten im vergangenen Halbjahr rund 500 000 Menschen mit Trinkwasser versorgen können.
Von Kenia aus steuert gerade ein Schiffstransport mit 200 Tonnen Getreidebrei für Kinder, sowie 11 500 Paketen nährstoffhaltiger Erdnusspasste die somalische Hauptstadt Mogadischu an. Dazu konnten fünf Tonnen Kindernahrung und Medikamente nach Kenia geflogen werden. Und in Nairobi landeten 9000 Zelte, die im Augenblick schon auf dem Weg per LKW in das Lager Dabaab sind.

Lufthansa hilft selbstlos

Lufthansa hilft und stellt Cargo-Raum  zur Verfügung. Viermal die Woche nach Nairobi.. Die Hilfsgüter kommen aus dem UNICEF-Zentrallager in Kopenhagen nach Frankfurt und von dort an das Horn von Afrika. Das ist für die nächsten drei Monate so geplant….eine immense Hilfe. Gar nicht hoch genug einzuschätzen.
Deutschland hat am Wochenende ebenfalls seine Hilfsleistungen auf 30 Millionen Euro verdoppelt. Trotzdem fehlen dem Welternährungsprogramm 350 bis 550 Millionen Euro.  UNICEF benötigt knapp gerechnet 300 Millionen Dollar für Medikamente, Notapotheken, Hebammenausstattung, sowie Zucker-Salz-Mischungen gegen Durchfall.

Wir haben mit Milliarden jongliuert und bräuchten Millionen um die Menschen zu retten


Und wenn wir uns alle erinnern, wie wir mit Milliarden um uns geworfen haben, verbal und vermutlich auch die Banken real, wie wir die Rettung des Euro, Griechenlands und Europas diskutiert und umgesetzt haben – da wird mit ganz schlecht. 162 Milliarden Euro von der EU, um die Gläubigerbanken der Griechen zu retten.
Wenn Sie jetzt vielleicht denken- es ist doch sowieso alles sinnlos, wir können doch sowieso nichts machen. Dann möchte ich einfach nur an Ihr christliches Herz appellieren. Wo gehungert wird, wo gestorben wird, muss zuallererst gerettet werden. Wo Lebensgrundlagen zerstört werden, weil Vieh verendet, Getreide verdorrt und Familien zugrunde gehen, da muss man geben.
Es wird sowieso mühsam genug, nur einen Teil der 12 Millionen Menschen am Horn von Afrika zu retten.

Die Not am Horn muss grundlegend bekämpft werden


Aber: die Hilfe am Horn ist ein Kurzzeit und ein Langzeitprojekt. Auf lange Zeit  muss darüber nachgedacht werden, wie solche Katastrophen verhindert werden können. Da ist das Krisentreffen der UN am Montag in Rom ein erster Schritt.  Die Weltgemeinschaft ist genauso gefordert, wie die Verantwortlichen in den afrikanischen Staaten. Und die Sorgen Europas erscheinen einem dabei eher marginal.