12.04.2012, Warum wir deutschen Frauen noch genauso kämpfen müssen wie die arabischen Schwestern

Bilanz des ersten arabisch-deutschen Frauennetzwerk-Forums in Hamburg

Es ist ja immer eine Frage der Sichtweise. Sie, die Sie aus den arabischen Länbdern nach Hamburg gereist sind,  werden sagen: Es ist viel geschafft. Wir, die anderen: wir haben noch einen weiten Weg vor uns.
Als Deutsche, als Frau, als 14 Jahre alleinerziehende Mutter zweier Söhne, immer in meinem Beruf als Journalistin tätig, zum Schluss als Direktorin für Hörfunk und Fernsehen im NDR, dem zweitgrößten ARD-Sender, habe ich am eigenen Leib erlebt, was geschafft wurde  - und  wo es noch hakt.

Erfolge für die deutschen Frauen

O Wir sind laut Grundgesetz gleichberechtigt
O Wir dürfen wählen - Seit 1918…seit  94 Jahren
O Uns scheiden lassen, wenn die Ehe zerrüttet ist und sind nicht mehr eo ypso schuldig
O wir dürfen arbeiten, unsere Ehemänner können uns das nicht mehr verbieten
O wir dürfen abtreiben, wenn wir  unter bestimmten Voraussetzungen nicht Mutter werden wollen und können
O Vergewaltigung in der Ehe ist strafbar
o Seit 2005 haben wir eine Frau als Kanzlerin an der Spitze des Staates
O und mit der Einführung des Elterngeldes bleiben plötzlich auch Väter mindestens zwei Monate zuhause bei ihren Kindern…..
Sagen sie jetzt bitte nicht: das ist doch toll. Was wollen die, die Frauen, was wollen wir denn noch?

Aber noch ist viel zu tun

Ich komme jetzt mit meiner Minus-Liste.
O es gibt immer noch nicht gleiches Geld für gleiche Arbeit. In allen Arbeitsbereichen bekommen Frauen rund 25 Prozent weniger Geld.
O Eine Frau, die einfach nur alles das möchte, wie jeder Mann, kann das nur schwer umsetzen in diesem Land: einen Beruf, eine Familie und Kinder.
Denn noch immer sind wir Frauen verantwortlich, wie wir das hinkriegen mit unserem Nachwuchs. Noch immer gibt es das Wort Rabenmutter in der deutschen Sprache( in keiner anderen sonst…)für eine Mutter, die nicht zehn, zwanzig Jahre ihre Kinder großzieht.
Vor allem aber: wir Frauen, so gut ausgebildet wir auch sein mögen, haben alle Probleme an die Spitze der Unternehmen zu kommen, in denen wir arbeiten.
Fünf Jahre war ich die einzige Direktorin im NDR, umgeben von neun wunderbaren Männern. Dann kam eine zweite Kollegin dazu, dann warens nur noch acht.
In 12 ARD-Sendern gibt es jetzt, seit letztem Jahr, drei Intendantinnen….im ZDF keine Frau an der Spitze. RTL dagegen ist super erfolgreich mit einer Frau ganz oben: Anke Schäferkordt.

An der Spitze der Unternehmen- keine Frau in Sicht

In den börsennotierten Unternehmen in Deutschland sitzen gerade mal drei Prozent Frauen in den Vorständen, vier Prozent in den Aufsichtsräten.
In realen Zahlen, dann wird es noch klarer: von 490 Vorständen in den 30 größten DAX-Unternehmen sind sage und schreibe 11 Frauen. Von 500 Aufsichtsräten sind 78 weiblich. Damit liegt Deutschland im internationalen Ranking schlechter als Brasilien, China und Russland, immerhin auf Augenhöhe mit Indien.
Wir reiben uns die Augen. Sind wir in Ausbildung, Beruf, Karriere, in punkto Kreativität und unseren Managementbegabungen so viel schlechter als die Männer?
Wir haben eine höchst engagierte ehemalige Familienministerin, die heute als Sozialministerin für die Gleichberechtigung an allen Fronten kämpft: Ursula von der Leyen. Promovierte Medizinerin, sieben Kinder. Sie weiß wovon sie redet, wenn sie unsere Situation in Deutschland mit „Unterirdisch“ bezeichnet.

Ich kenne die jungen, klugen, engagierten Frauen-was wird mit ihnen später?

Ich bin seit 2003 Mitglied des Hochschulrates der Universität Hamburg. Seit 2010 lehre ich in der WiSo-Faktultät Medienmanagement. Ich sehe sie, die engagierten, klugen jungen Frauen.
Hier in dieser Stadt schließen mehr Frauen als Männer ihr Studium ab. Genau 56 Prozent. Wie im ganzen Land.
Hier  sind 30 Prozent aller Selbständigen Frauen. Aber: auch hier sind die Vorstandsposten mit 97 Prozent fest in Männerhand. Mangelt es den Frauen an Qualifikation und Leistungsbereitschaft? Ich mag es nicht glauben. Nein - ich weiß. Das ist nicht wahr.
Darum brauchen wir eine Quote. Eine zeitlich begrenzte, qualitative Quote. Wie Schwimmflügel für ein Kind. Quer durch alle Bereiche. Die grünen Politikerinnen habe es uns vorgemacht. Gefolgt von der SPD, dann kam die CDU mit ihrem 30prozentigen Quorum… wenigstens das. Hätten wir die Quote nicht, läge der Anteil der Frauen in den Parlamenten weiterhin gerade mal bei rund 11 Prozent, ein wenig mehr, als 1919 im Weimarer Parlament. Heute haben wird 33 Prozent Frauen im deutschen Bundestag.

Auch ich wollte keine Quotenfrau sein, früher

Ich gestehe, dass ich als junge Frau, zu Beginn meines Berufsweges  nicht im entferntesten über eine Quote nachgedacht habe. Ich war überzeugt: ich habe mein journalistisches Handwerk gelernt, ich bin leistungsbereit, und werde schon meinen Weg machen. Hat meine berufstätige Mutter schließlich auch. Es ging dann auch alles ganz gut…ganz gut.
Aber an der Spitze der Sender, in denen ich Fernsehen und Radio verantwortet und selbst produziert habe, da waren immer nur die Männer.
Frauen stoßen im ganzen Land an gläserne Decken. An die gut bekannten Argumente: Frauen wollen ja gar nicht, sie scheuen die Belastung. Mögen keine Konflikte, die in Führungspositionen ja auftreten. Wie bitte? Wenn es denn für einige zutrifft, dann doch sicher auch für einige  Männer, oder?

In 44 Jahren hat sich wenig geändert....

Nicht von der Hand zu weisen ist aber die missliche Situation für Mütter. Wir haben immer noch viel zu wenige Ganztagskindergärten, Ganztagsschulen, und Kinderprogramme für die sechs Wochen Ferien, die alle Kinder mehr haben, als ihre arbeitenden Eltern.
Meine Kinder sind inzwischen 40 und 44 Jahre alt….es hat sich nichts geändert. Ich bin manchmal fassungslos. Wer Beruf und Familie auch heute miteinander vereinbar will, tut sich unverändert schwer. Sicher. Es ist ein Ganztagsschulprogramm auf dem Weg. Der Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz ist ab 2013 gesichert. 20 Prozent der jungen Väter nehmen Elternzeit.
Aber: konservative Gruppen in diesem Land wollen Milliarden Euro  an Eltern zahlen, die ihre Kinder nicht in die Kita geben, sondern zuhause aufziehen. Betreuungsgeld heißt das  oder auch Herdprämie. Durch einen Testversuch in einem Bundesland weiß man, dass vor allem diejenigen Kinder zuhause bleiben, die andererseits dringend Sprachförderung benötigen und soziale Kompetenz erlernen sollten.

Unternehmen machen mit Frauen einfach mehr Gewinn

Wir wissen heute, und das treibt mich um, dass wir die gut ausgebildeten, tollen jungen Frauen in unserem Land dringend brauchen. Sie dürfen nicht als Nachhilfelehrer, als Chauffeur, als Köchin zuhause zehn, 15 Jahre versauern. Das ist mit Ganztagsschulen und Haushaltshilfen zu bewältigen. Die im übrigen bei uns inzwischen steuerlich abgesetzt werden können.
Wir brauchen sie dringend in den Unternehmen, in der Wirtschaft, und vor allem auch an der Spitze der Unternehmen. In anderen Ländern weiß man längst, dass  Unternehmen mit Frauen im Aufsichtsrat um 53 Prozent höhere Eigenkapitalrenditen und um 42 Prozent höhere Umsatzrenditen erwirtschaften. Die beiden großen Unternehmensberatungen Mc Kinsey und Ernst & Young erklären seit Jahren den deutschen Unternehmen, dass sie erfolgreicher sind, wenn sie Frauen in allen Ebenen fördern und einsetzen.
Dass ihnen allen am Schluss des Tages mehr Geld bleibt. Mixed Leadership heißt ihre Devise….
Wir brauchen den Kulturwandel in Deutschland, sonst kommen sie uns abhanden diese gut ausgebildeten Frauen. Und gehen ins Ausland, wo sie leichter Karriere machen können.

Wir brauchen den Wandel in den Köpfen

Schauen wir gemeinsam auf Norwegen, das kleine Land im Norden Europas, mit rund 5 Millionen Einwohnern( und einer Oper für 500 Millionen Euro…) Das Land hat bereits 2004 eine gesetzliche Quotenregelung eingeführt.
Eine Quote für börsennotierte Unternehmen. Wer die nicht erfüllt muss eine saftige Strafe berappen. Der Frauenanteil ist dann ganz schnell von sechs auf 44 Prozent angestiegen. Und die schlimmen Befürchtungen, dass die Unternehmen  an die Wand gefahren werden, hat sich bei weitem nicht erfüllt….im Gegenteil. Sie sind erfolgreicher denn je. Auch die oft zitierte Behauptung: es gibt sie gar nicht, die Frauen, die das dann können….die hat nicht gestimmt. Es fanden sich genug gut ausgebildete Frauen für diese Aufgaben.
So steht es heute für die deutschen Frauen. Wohin wir wollen? Das ist für mich nach 43 Jahren Berufsleben ganz klar: wir wollen einfach nur das gleiche, was Männer wollen und können. Es kann doch nicht sein, dass der Aufstieg eines Mannes nichts, aber auch gar nichts, mit seinem Familienstand zu tun hat. Der einer Frau aber sehr viel. Es gibt noch viel zu tun….packen wir´s an. Und reden wir miteinander. Netzwerken ist das eine….Gesetze und die Quoten zur Umsetzung und Einforderung dieser Gesetze sind dann die logische Folge….Das gilt gerade auch jetzt für die Frauen in den arabischen  Ländern nach dem Yasmin-Frühling, den sie mitgestaltet haben.