Es geht heute um die Berufung der ersten Jünger, um das Wagnis des aussichtlosen Fischfanges…und Sie fragen sich vielleicht: warum stehe ich hier, warum dieses Thema für mich?
Ich bin Journalistin. Wollte nie etwas anderes werden. ( Kind zu viel gefragt…) Als Journalistin müssen sie auch Menschen fangen, Menschen öffnen, damit sie vertrauen, erzählen. Und wir dann schreiben, berichten, drehen können.
Bsp: Bosnische Frauen 1992/ Hutus und Tutsis in Ruanda, Inderinnen, Witwen, junge Frauen dowry burning, Missbrauchsopfer in Deutschland, Kriegerwitwen ohne Rente….
Sie alle mussten erst mal Vertrauen haben zu mir. Damit ich sie fragen konnte…das ist die Basis meines Berufes.
Jetzt also mein biblischer Impuls auf den Katholikentag Mannheim mit dem Motto: „Einen neuen Aufbruch wagen“. Wie geht das, wann steht man hier und zu welchem Text? Den Text, den bekommt man von anderen ausgesucht, zugesandt, zugeteilt. Meiner ist allgemein als „Menschenfischer-Text“ bekannt.
Ich erinnere mich noch gut, als ich zum ersten Mal diesen Text gelesen habe. Die Geschichte war mit bekannt. Aber jetzt eine Stunde darüber reden, mit Ihnen diskutieren? Der Text bekommt eine neue Schwere. Man liest, denkt, sinniert. Ich lese genauer, gehe natürlich ins Internet uns suche, was es alles über diesen Text von Lukas gibt. Stoffsammlung. Nachts: Träumen, denken, um vier Uhr Notizen auf den Zettel am Schreibtisch. Ich tauche immer tiefer ein. Jetzt kann ich den Text schon fast auswendig….
Eigentlich ist das ja eine ungeheuerliche Geschichte. Ein Wunder? Das müssen wir noch klären. Da kommt einer, ein Wanderprediger namens Jesus, und sucht sein Personal am See Genezareth. Die lassen alles stehen und liegen und folgen ihm. Warum? Was sollen wir daraus lernen? Es ihnen nachmachen? Haus und Hof, geregeltes Einkommen und die Familie hinter sich lassen und wie die späteren Jünger einem damals als Wanderprediger bekannten Mann folgen? Fragen über Fragen für uns gläubige Christen.
Damit wir aber alle miteinander den gleichen Sachstand haben, möchte ich Ihnen den Text noch einmal vortragen:
(1)Als Jesus am Ufer des Sees Genezareth stand, drängte sich das Volk um ihn und wollte das Wort Gottes hören.
(2) Da sah er zwei Boote am Ufer liegen. Die Fischer waren ausgestiegen und wuschen ihre Netze.
(3) Jesus stieg in das Boot das dem Simon gehörte und bar ihn, ein Stück weit vom Land wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus.
(4) Als er seine Rede beendet hatte, sagt er zu Simon: Fahr hinaus auf den See. Dort werft eure Netze zum Fang aus!
(5) Simon antwortete ihm: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch wenn Du es sagst, werde ich die Netze auswerfen.
(6) Das taten sie und sie finden eine so große Menge Fische, dass ihre Netze zu reißen drohten.
(7) Deshalb winkten sie ihren Gefährten im anderen Boot, sie sollten kommen und ihnen helfen..Sie kamen und gemeinsam füllten sie beide Boote bis zum Rand, so dass sie fast untergingen.
(8) Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagt: Herr, geht weg von mir, ich bin ein Sünder.
(9) Denn er und alle seine Begleiter waren erstaunt und erschrocken, weil sie so viele Fische gefangen hatten.
(10) Ebenso ging es Jakobus und Johannes, den Söhnen des Zebedäus. Die mit Simon zusammen arbeiteten. Da sagte Jesus zu Simon: Fürchte Dich nicht ! Von nun an wirst Du Menschen fangen.
( 11) Und sie zogen die Boote an Land, ließen alles zurück und folgten ihm nach.
Als Journalistin bin ich den sechs W´s verpflichtet: Wer, was , wann, wo , wie , warum .
Also das Wer: Wer war dieser Lukas, der dieses Evangelium verfasst hat? In der altkirchlichen Fassung wird dieser Apostel der geliebte Arzt genannt. Während er schreibt, weiß er um den Untergang Jerusalems 70 Jahre nach Christi Geburt. Seine Texte hat er in den Jahren 80 bis 90 nach Christi verfasst. Wo er geschrieben hat? Entweder in Griechenland oder in Kleinasien. Das ist bis heute nicht geklärt.
Er wollte für gebildete Heiden und für die sogenannten Heidenchristen schreiben. Das waren die, die zum Christentum übergetreten sind. Alle, die sich über die Jahrhunderte mit seinen Texten beschäftigt haben, stellen ihm beste Zeugnisse aus: er ist allem genau nachgegangen, er gilt sowohl historisch als auch theologisch als außerordentlich zuverlässig.
Jeder, der sich mit seinem Evangelium befasst, findet viele wertvolle Überlieferungen, die sich nicht in den anderen Evangelien finden. Zum Beispiel die Gleichnisse vom barmherzigen Samariter, vom verlorenen Sohn, vom klugen Verwalter und vom Pharisäer und vom Zöllner. Vor allem aber beleuchtet Lukas ganz besonders liebevoll und aufmerksam das Verhalten Jesu gegenüber den Frauen, den Sündern und den Zöllnern.
Er zeigt Jesus als den Heiland er Verlorenen, der sozial Entrechteten. Lukas offenbart die Menschenliebe Gottes auf bezwingende Weise. Alle Christen müssen daher ebenso wie Jesu handeln. Oder ihm folgen.
Wenn wir über die Bibel diskutieren, fragen wir uns sicher auch. Wie ist das wirklich gewesen? Woher kommt das Wissen? So lange nach den eigentlichen Geschehnissen aufgeschrieben. Da ist es doch normal, dass es Widersprüche gibt. Schon die Zeitzeugen werden sich verschieden erinnert haben, Jeder Polizeibeamte weiß, dass bei einem Unfall mit drei beteiligten drei verschiedene Geschichten heraus kommen. Oder Rashomon, der japanische Film….
Und dennoch. In den wesentlichen Teilen decken sich alle Evangelien. Sind sich die Evangelisten einig in der Geschichte.
Und damit sind wir wieder bei der biblischen Stelle, die ich mit Ihnen heute genauer beleuchten will.
Der Anfang liest sich ganz normal. Da kommt ein Wanderprediger namens Jesus an den schönen See im Norden des heutigen Israel und will den Menschen dort von Gott erzählen. Er sucht einen Platz, wo ihn die vielen besser hören können. Und sehen, denke ich. Sowas wie Speakers Corner im Londoner Hyde Park.
Er sieht die Fischerboote und kommt auf die logische Idee, dass er ein wenig weiter draußen auf dem See von allen besser gehört und gesehen werden kann. Darum bittet er den Fischer Simon, ihn in seinem Boot ein hinaus zu rudern.
Jesus redet. Von Gott, von der heiligen Botschaft.
Wie war damals die politische Situation in Palästina? Wie der Alltag der Menschen? Nicht viel anders, als sich heute die Welt darstellt:
Es gab eine Supermacht, Rom. Heute die Vereinigten Staaten, Russland und China. Der Herrscher damals hieß Kaiser Augustus. Nicht Putin, oder Barack Obama oder Hu Jintao. Das Land in dem Jesus predigte war ein römisches Protektorat. Und hatte damit einen römischen Statthalter, den Pontius Pilatus. Aber auch einen jüdischen König von Roms Gnaden, Herodes Antipas, der sich mit Rom gegen sein eigenes Volks verbündet hatte. Das wäre so, wie wenn heute der Dalai Lama nicht mehr auf Seiten seines tibetischen Volkes wäre, sondern mit den Chinesen zusammen arbeiten würde.
Das Volk hatte Steuern zu entrichten und zu parieren.
Dass Rom Israel einen eigenen König zugestand, erscheint auf den ersten Blick liberal. Zeigt aber in Wahrheit nur, wie ökonomisch die Supermacht zu denken gelernt hatte. Ein eigener König verhindert, dass das Volk aufbegehrt. Und wenn sie es dennoch tun, dann verteilt sich die Wut auf zwei Fronten. Einmal gegen Rom, dann gegen den eigenen König. Divide et impera, schon damals funktionierte Macchiavellis Herrscher-Theorie.
Außerdem war es schlau, sich aus allen religiösen Fragen der Juden herauszuhalten. Ihnen zu ermöglichen und zu erlauben, die eigenen Angelegenheiten selbst zu regeln. Darum wird Jesus später vor einem jüdischen Gericht stehen. Denn den römischen Kaisern war es egal, wer unter ihnen als König das unterworfene Volk regierte. Hauptsache die Steuern fließen und niemand begehrt gegen die römische Herrschaft auf. So viel zum zeitgeschichtlichen Hintergrund…..
In diese Welt hinein war Jesus in Bethlehem geboren worden, in diesen Jahren zog er durch Israel um zu predigen. Er weiß wohl auch, dass 1 200 Jahre nach dem Auszug der Israeliten aus Ägypten Gott seinem Ziel immer noch weit entfernt ist. Es gibt noch keine gerechte Gesellschaft, Milch und Honig für alle stand auf dem göttlichen Plan. War aber wohl nicht umzusetzen. Jesus erkennt das, und kritisiert in seinen Predigten wie sehr die Menschen an dem vorbeileben, was Gott einst mit Israel vorhatte. Er weiß aber auch sehr bald: er benötigt Gefährten, Gleichgesinnte, die mit ihm den beklagenswerten Zustand Israels ändern.
Einen findet er in der Wüste, Johannes den Täufer. Dann führt ihn sein Weg an den Malerischen See Genezareth. Er begegnet am See den Bootsbesitzer und Fischer Simon.
Sie ahnen es, das ist Simon Petrus, der der ihn später verraten wird. Nachdem aber Jesus im Boot des Fischers auf dem See gepredigt hatte, will er ihn und die anderen Fischer auch noch auf ganz andere Weise testen.
„Fahr hinaus auf den See und wirf Deine Netze aus.“ Man kann davon ausgehen, dass Jesus auch vertraut ist mit dem Handwerk des Fischers. Dass er weiß, dass die Fische nur nachts an die Oberfläche kommen, und sich tagsüber eher tiefer im See aufhalten. Simon entgegnet ihm darum auch:
„Wir waren draußen, die ganze Nacht“. Und sicher denkt er sich, so was blödes, der hat wohl keine Ahnung. Noch nie haben wir am Tag was gefangen. Vielleicht hat auch Simon mitleidig gelächelt, ob der Aufforderung von Jesus. Er weiß doch, das Netz wird leer sein, fischen am helllichten Tag. Ein hoffnungsloses und vergebliches Unterfangen.
Aber Simon sagt auch, und das muss uns doch erstaunen:“Wenn Du es sagst, werde ich die Netze auswerfen.“ Er wirft sie aus, die Netze. Im Auftrag eines Fremden. Dem er wohl damit ins Netz gegangen ist…?
Netze auswerfen- Netze knüpfen, Netzwerken. Das sind Begriffe, die uns allen auch heute täglich begegnen. Wer hat wohl das Netz ausgeworfen um uns alle zu fangen? Damit wir uns in unserer Kirche vernetzen und weiter Netzwerken, und damit Fische fangen? Oder sind wir nur wie Simon einem Fischer ins Netz gegangen, von dem wir so wenig wissen?
Wenn Sie jetzt die Augen schließen, wann sind Sie mal wem ins Netz gegangen? Ließen sich fangen? Ist der Begriff für Sie negativ besetzt?
Was Lukas da in seinem Evangelium erzählt, ist auch eine Geschichte von Vertrauen. Denn Simon springt wider besseres Wissen in sein Boot, nimmt seine Netze mit, wirft sie in der Mittagshitze aus- und „fing eine so große Menge an Fischen, das die Netze zu reißen drohten“.
Er hat dem Fremden vertraut und ist belohnt worden. Simon vertraut Jesus- wie oft in unserem Leben vertrauen wir einem anderen? Einem eigentlich Fremden? Es heißt doch so flapsig: Vertrauen ist gut- Kontrolle ist besser. Da wird Vertrauen abgewertet. Aber ist Vertrauen nicht die Basis unseres Miteinander?
In der Psychologie sprechen wir vom Ur-Vertrauen eines Kindes. In die Mutter, in den Vater. Wenn dieses gestört wird, gar nicht vorhanden ist, wird es schwierig für den kleinen Menschen auf seinem Lebensweg. Ohne Vertrauen kein Leben. Wer nicht vertraut, traut sich nichts, traut sich nichts zu- und wird nicht und nie in der Mittagshitze wider alle Erkenntnis viele Fische fangen.
Für mich ist das die erste Lektion im Evangelium des Lukas: Ohne Vertrauen sind wir nichts. Ohne Vertrauen einmal zu uns selbst, dann zu unseren Nächsten, den Lieben, aber auch zu Menschen, die uns begegnen. Vertrauen ist etwas sehr Positives. Es heißt, wir sind offen für Neues, offen für andere, wir können glauben und vertrauen. Was gibt es schöneres?
Das Gegenteil von Vertrauen ist das Misstrauen. Das verhindert leben, lieben, lassen. Und er verhindert vor allem Gott. Simon kommt Jesus nah, weil er ihm vertraut. Wenn wir vertrauen, dann kommen wir uns nah, kommen Gott nah und fühlen uns eingehüllt, umgeben von unserem Glauben.
Weil Simon wider besseres Wissen hinausfährt und reichste Ernte macht, weichen alle Hoffnungslosigkeit, alle Vergeblichkeit von ihm. Er wird den Kopf geschüttelt haben, ungläubig? Erschreckt? Ob der Macht von Jesus Worten? Wie kann der das, kann der hexen, dass die Fische aus der dunklen, kühlen Tiefe des Sees in der Mittagshitze auftauchen und sich fangen lassen?
Als Verfasserin eines biblischen Impulses wird man in den Anleitungen gebeten, auch ein wenig aus dem eigenen Leben zu berichten. Und da fällt mir ein liebenswürdiger katholischer Pfarrer in einem kleinen Dorf an einem bayerischen See ein. Am Tegernsee. Er war Pfarrer in der Egerner Pfarrkirche, einem barocken Kleinod. In der benachbarten Dorfschule bin ich, damals von den protestantischen Stadt-Eltern auch evangelisch getauft, als einziges Heidenkind in den Unterricht gegangen. Alle anderen Kinder: katholisch. Dieser Pfarrer hatte nun Mitleid mit dem kleinen Mädchen. Er ließ mich am katholischen Religionsunterricht teilnehmen. In der der letzten Bank, versteht sich.
Ich habe ihm gerne zugehört, wenn er in seinem bayerischen Akzent die Geschichten aus der Bibel erzählte. Aus dem Alten und Neuen Testament. Wir waren in dem Alter, in dem meine Klassenkameraden und Kameradinnen zur Kommunion gehen sollten. Ich ahnte es schon- da würde ich nicht dabei sein dürfen. Der Pfarrer aber erlaubte mir immerhin an diesem besonderen Tag in einem weißen Kleid mit in die Kirche einziehen zu dürfen. Man stelle sich das vor, 19 55, mitten im katholischen Bayern. Ich war also dabei- die Hostie, die heilige Kommunion erhielt ich natürlich nicht. Aber schon damals konnte ich die lateinische Liturgie auswendig, ich wollte ja nicht ausgegrenzt sein, ich wollte dazugehören. Mitmurmeln während des Gottesdienstes, genau wissen, wann ich zu knien hatte, wann wir alle aufstanden und was wir als Antwort auf den Pfarrer zu sagen hatten.
Dieser Pfarrer am See hat sein Netz ausgeworfen. Wahrscheinlich gar nicht absichtlich. Nur, weil ich ihm als ausgegrenztes Heidenkind leid tat. Aber damit bin ich im katholischen Glauben aufgewachsen, groß geworden. Sind Wurzeln gewachsen, und erst nur ein kleiner Stengel. Dann Zweige, Blätter. Immer mehr. Ich war im Netz. Gerne und daheim. Der Samen war gesät. Ich fühlte mich seitdem immer katholisch. Aber es dauerte dann noch eine ganze Zeit, bis ich zum katholischen Glauben übergetreten bin. Da war ich dann erwachsen und konnte diesen Schritt ganz bewusst tun.
Aber zurück zu Simon am See Genezareth und seinen Fischer-Freunden: Sie fingen zu dieser ungewöhnlichen Stunde so viele Fische, dass die Boote fast zu kentern drohten. Dass die Netze am Reißen waren. Und da beschreibt Lukas in seinem Evangelium eine wirklich ungewöhnliche Reaktion des Petrus: Der wirft sich vor Jesus auf die Füße, er bittet Jesus, wegzugehen. Denn, und das ist ein erstaunlicher Satz.“Ich bin ein Sünder“.
Verstehen wir diese Reaktion? Warum hält sich Simon für einen Sünder, nur weil er erst Jesus das Schiff leiht zum Predigen, dann wider alle Erfahrung in der Mittagszeit auf den See zum Fischen rausfährt und so viel fängt, wie nie zuvor ?
Vielleicht ist Simon einfach erschrocken, ob der Fülle des unerwarteten Geschenkes? Geht das noch mit rechten Dingen zu? Ist Jesus ihm jetzt plötzlich unheimlich? …. Oder zitiert Lukas diesen Satz- und bei Lukas sind die Texte mit vielen Aussagen als wahr belegt, oder zitiert er diesen Satz, weil Simon hier schon ahnt, was er einmal tun wird. Ahnt er den Verrat? Weil er sich und seine Schwäche kennt?
Hier können wir nur rätseln. Jesus wird ihm später den Namen Petrus geben. Griechisch: der Fels. Dabei erhält er auch den Himmelsschlüssel. Er wird in den Evangelien als impulsiv und engagiert, aber auch als ängstlich und unbeständig beschreiben. Er ist der Erste unter den Aposteln, aber in der Stunde des Leidens verrät er Jesus. Als Jesus seinen Leidensweg seinen Jünger ankündigt, protestiert Petrus noch vehement. Aber Jesus weist ihn zurecht:“Geh weg von mir, Satan !“
Sieht Jesus die Zukunft? Wohl ja, das bezeugen alle seine belegten Zitate aus den Jahren seiner Wanderschaft. Als Jesus verhaftet wird, und verhört wird, da sitzt Petrus im Vorhof des hohepriesterlichen Palastes bei den Dienern. Wärmt sich dort am Feuer und wird von einer Magd als ein Freund des Galiäers erkannt. „Er aber leugnete und sprach: ich weiß nicht und verstehe auch nicht, was Du sagst! Und er ging in den Vorhof hinaus und der Hahn krähte…..er wird noch einmal Jesus verleugnen, und dann kräht der Hahn wie vorausgesagt von Jesus zum zweiten Mal. Da beginnt Petrus zu weinen. Wir erinnern uns alle an diesen bewegenden Verrat seines ersten Jüngers, seines Felsens, den er am See Genezareth gefischt hatte….ein Mensch, der ihn verrät. Der aber später zum Fels des Glaubens wird und der Urvater unserer Kirche. All unserer Pfarrer und Bischöfe, Kardinäle und Päpste….
Es scheint also eine erstaunliche Beziehung zu sein, die sich da in Kapernaum am See Genezareth zwischen Jesus und Simon anbahnt. Denn als Simon auf dem Boden liegt, jetzt wirft Jesus endgültig sein Netz aus:“Fürchte Dich nicht! Von jetzt an wird Du Menschen fangen“. Und die Söhne des Zebedäus, Jakobus und Johannes sind damit gleich mit gemeint.
Jesus stellt sich also auf. Mit drei weiteren Mitkämpfern. Für seine Aufgabe, Gottes Wort zu verkünden. Ihn können wir gut verstehen. Auch noch heute. Aber die anderen drei? Sie hatten ihren Lebensmittelpunkt am See als Fischer, sie konnten von den Erträgen leben. Einer, der ihnen unheimlich ist, sagt ihnen sie sollen ohne Furcht sein und mit ihm gehen. Mit ihm dann andere an Land ziehen. Andere Fische, andere Menschen. Sie alle in ihr Boot holen, in das Boot Jesu.
Jeder vernünftige sagt dazu: das kann doch nicht gut gehen? Den Job an den Nagel hängen und einem eher Unheimlichen in eine ungewisse Zukunft folgen? Wir wissen heute, dass es zuerst mal nicht gut ausgeht. Dass Jesus am Kreuz endet, vor der Auferstehung und dass Simon Petrus zum Verräter wird. Aber bis dahin zieht Jesus mit den ersten dreien, später mit zwölfen ( wegen der zwölf Stämme Israels) durch die Lande. Predigend, erzählend, lehrend, streitend, heilend, provozierend – und Wunder vollbringend. Danach ist nichts mehr so, wie es war. Wirklich verstanden- wer hat das schon? Wer mag das von sich sagen?
Aber noch einmal zurück zu dem Satz Jesu am See: „Fürchte Dich nicht, von jetzt an wirst Du Menschen fangen“. Und die drei folgen.
Wie oft in unserem Leben hatten wir schon eine derartige Situation? Wie oft sind wir einem Ruf ohne Zögern gefolgt, ohne Ängste (fürchte Dich nicht), ohne Bedenken. Ohne dass wir es bedacht haben. Aus unserem Gefühl heraus. Aus dem Bauch heraus, so sagen wir ja auch. Und da komme ich wieder zum dem Begriff des Vertrauens. Ich denke, wenn wir vertrauen, dann folgen wir auch anderen auf neuen Wegen.
Als ich meinem Mann in einem Blech-Container in einem Nato-Flughafen in Italien begegnet bin, da war so was, Vertrauen, der berühmte Funke und die schnelle, klare Entscheidung- der ist es. Mit dem will ich alt werden. Dann ging auch alles ganz schnell. Nach dem bayerischen Spruch: Das Heiraten und das Schlitten fahren muss schnell gehen….
Wann gab es in Ihrem Leben so eine Wende? So ein neuer Weg, den Sie ohne zu zögern, ohne lange nachzudenken, einfach aus dem sicheren Gefühl heraus: das ist jetzt richtig, gegangen sind? Eher im beruflichen Bereich? Haben Sie ohne datteln, das ist hamburgisch, ja gesagt zu einer neuen Aufgabe, gar zu einem Wechsel von einem Unternehmen zum anderen? Erinnern Sie Situationen, in denen sie das innere Gefühl abgehalten hat? Was war es genau? Das mangelnde Vertrauen in einen Menschen?
Wir leben in einem Netz. Das muss fest verknüpft sein, sonst reißt es. In einem Netz aus Beziehungen, Gefühlen, und der Ratio. Hier mit der richtigen Melange, der wienerischen Mischung gut durch das Leben zu kommen ist unser Pfund. Und ganz sicher ist der Glaube das Fundament.
Ich wünsche mir oft, wenn ich die täglichen Nachrichten als Journalistin sehe, lese, höre, wenn ich die Kommentare in den Zeitungen nachlesen, ich wünsche mir oft bei den Entscheidungen der Politiker diese Mischung. Aus Gefühl und Ratio. Dazu Mut und Vertrauen, und ja, auch Glauben. Weil mich ganz oft das Gefühl beschleicht, dass „die da oben“, so gar nicht mehr wissen, wie es „da unten“ bei uns so wirklich zugeht. Weil denen „ da oben“ aus meiner Sicht sehr oft Gefühl mit Verstand, Mut und Vertrauen plus Glaube abhanden gekommen sind. Auf ihrem Weg „ nach oben“.
Wie sonst ist es zu erklären, dass in keinem anderen europäischen Land der Graben immer größer wird, zwischen denen, die als reich gelten, und den anderen, den rund 5 Millionen Hartz IV-Empfängern. Und den 2,5 millionen Kindern, die von Hartz IV leben müssen. Dazu den so genannten rund 700 000 Aufstockern, die zwar einen Job haben, eine Arbeit, von der sie aber nicht ihr Familie ernähren können.
Also „aufgestockt „ werden, mit staatlicher Hilfe. Wo bleiben Mut und Verstand, Vertrauen und Glaube bei den politischen Entscheidungen?
Das Bundesverfassungsgericht musste, wie so oft leider, in einem Grundsatzurteil feststellen, dass die Harzt IV-Sätze Kindern keine menschenwürdige Existenz ermöglichen. Das diese Sätze verfassungswidrig seien. Über ein Jahr kreiste die Politik, die Politiker dann über einer Lösung- heraus kam ein Bildungspaket von 700 Millionen Euro. Das bis heute gerade mal zur Hälfte abgerufen ist. Warum ? Weil die Anträge zu kompliziert, das Verfahren zu mühsam ist. Wer sich so was ausdenkt, will den Menschen nicht wirklich helfen…
Gut, als die Rednerlisten im Bundestag nur noch von den Fraktionen bestimmt werden sollten, also eine freie Rede bei den Vertretern des Volkes nicht mehr möglich sein sollte- da hat die Kanzlerin ein Machtwort gesprochen. Da hat sie mutig in einer Mischung aus Verstand und Vertrauen in das eigene Gefühl dazwischen geschlagen, basta, so geht das nicht meine Herren in der CDU. Ende. Keine Einengung des Bundestagspräsidenten. Weiterhin freie Wahl bei den Rednerlisten…wenigstens das.
Aber es gibt noch viele andere Themen, wo ich mir von den Volksvertretern im Bundestag, von den Ministern im Kabinett, von den Staatssekretären in den Ministerien Mut zur Entscheidung wünsche. Mir wünsche, sie mögen das Ohr bei uns, beim Volk haben, und für uns, die Bürger entscheiden und nicht nach vermeintlichem Fraktionszwang oder politischem Kalkül. Und schon gar nicht um der eigenen Karriere willen.
Simon Petrus und Jakobus und Johannes hatten sicherlich nicht die eigene Karriere, oder mit damaligen Worten gesprochen: das eigene Auskommen im Sinn, als sie Jesus ohne wenn und aber folgten. Es war vor allem: Vertrauen in Jesus. Sie haben gesehen, dass wenn sie ihm Vertrauen, der Segen reich sein wird. Hier am See Genezareth in Form eines überreichen Fischfangs. Mit Jesus zusammen werden sie wohl ganz sicherlich immer Gaben erhalten, die sie „reich“ machen, an Gefühlen, an Werten, an neuen Menschen. Sie alle werden Menschen fangen.
Und da drängt sich mir noch einmal das Bild vom Netz auf: Weil wir von so vielen Netzen umgeben sind. Im privaten, im Beruf, unter Freunden, im Netz, in dem sich unsere Kinder zu Millionen treffen und vernetzen. Wir Älteren warnen sie zwar, aber es ist sinnlos. Alle sind bei facebook, linkedin oder anderen Netzwerken unterwegs. Tauschen intime Details genauso aus, wie Fotos in Mengen. Die auf diesem Weg leichter zu verschicken sind. Weil bei einer normalen Mail nur drei jpg´s dran passen.
Dass nicht nur in den Vereinigten Staaten Tausende von jungen Leuten nach einem vermeintlich gut verlaufenen Vorstellungsgespräch den ersehnten Job dann nicht bekommen haben, weil die Personaler im Netz „gefischt“ haben, lesen wir. Und können die Jugendlichen trotzdem nicht abhalten. Das www, das worldwideweb ist ein Netz mit vielen Vorteilen. Aber es will intelligent und verantwortungsbewusst genutzt werden.
Damit sich nicht Menschen zu ihrem Schaden darin verfangen. Hängen bleiben, zappeln im Netz umkommen. Solche Netze können auch lebensgefährlich sein. Wer warnt uns vor den heimtückischen Menschenfischern , nicht nur dort? Wir müssen lernen, die Netze zu unterscheiden, die Menschen einzuordnen, die die Netze auswerfen. Simons, Johannes und Jakobus Netz, mit dem sie Jesus einfing, ist ein Netz der Lehre Jesus gewesen. Menschenfischer bei Jesus zu werden heißt für die drei, und später für alle 12 Jünger: Menschen in eine Beziehung zu Gott zu führen. Anhand der Lehre Jesus ist immer das richtige Netz vom falschen zu unterscheiden. Jesus Netz ist ein Netz aus Glaube und Vertrauen. Gewoben von Hoffnung und Liebe….Deshalb mussten die drei Männer nicht nachdenken und folgten Jesu auf seinem Weg.
Das Netz aus Glaube und Vertrauen. Im Vorfeld dieses Kirchentages hat mich eine Kollegin einer Zeitung gefragt, ob ich glaube ? Ja, habe ich ohne zögern geantwortet. An was? Ja, an Jesus, an Gott, an ein Leben nach dem Tode. An die katholische Kirche. Ich erinnerte mich an Menschen, die bei der Glaubensfrage einfach antworten: „Ich glaube an eine übergeordnete göttliche Macht.“ Wo und wie die auch immer aussehen möge….
Mir ist auch eingefallen, dass es mir nie gelungen ist, jemanden vom Glauben zu überzeugen, der nicht glaubt. Da prallen Argumente aufeinander, da bewegt sich nichts. Man kann wohl niemanden zum glauben zwingen, zum glauben bringen, vom Glauben überzeugen.
Woher kommt aber der Glaube? Unser Glaube. Der, der Simon Petrus und Johannes und Jakobus inne wohnte, sonst wären sie nicht gefolgt.
Sie sind auch keineswegs „Leichtgläubig“, diese ersten Jünger Jesus. Also unkritisch oder gar naiv. Denn Jesus hat bei seiner Rede auf dem See sicher klar gemacht – und die Rede haben sie sicher mit angehört, auch wenn sie gerade noch ein wenig frustriert ihre Netze gereinigt haben – er hat klar gemacht, dass er eben kein Guru ist, kein Menschenfänger im negativen Sinne. Den drei Fischern muss bewußt geworden sein, dass dieser Jesus eben kein Scharlatan ist, sondern dass er für das ganze Leben steht. Nur so können sie ihm glauben, sich vertrauensvoll einlassen auf - und sicher ver-lassen auf eine Person. Auf den einen. Auf den sich einzulassen, der das dann immer wieder bei allen Reden einfordern wird. Anders als alle Propheten und religiösen Lehrer dieser Welt.
Später werden seine Freunde, seine Anhänger, immer auf ihn verweisen, nicht auf sich, sondern auf ihn, auf Jesus: Franz von Assisi der Bettler, Thomas Morus der Humanist und Politiker, auch Dietrich von Bonhoeffer. Der Christus, auf den sie verweisen ist immer ein und der derselbe. Sie glauben. Ohne wenn und aber.
Das gilt auch für die Frauen, die die ersten Nachrichten-Überbringer seiner Auferstehung waren. Maria Magdalena, seine Mutter Maria. Später auch Jeanne d´Arc, Katharina von Siena, die große spanische Teresa, oder die „kleine „ von Lisieux, sie alle glaubten aus unterschiedlichen Gründen, aber nur mit einem einzigen, letzten, evidenten Grund: der liegt in der Person Jesus Christus.
An dieser Stelle will ich aber mit Ihnen einen Exkurs in Sachen Übersetzung unternehmen. Wenn man den Text zusammenfasst, dann liest sich das ja so: Erst Fische fangen, dann Menschen fangen. Wissenschaftler, die des altgriechischen mächtig sind, aber warnen. Im griechischen Urtext stecken in diesen beiden Sätzen zwei voneinander unterschiedliche Tätigkeitswörter. Das Wort, das die künftige Tätigkeit des Simon Petrus beschreibt kann vieles bedeuten: Zum Beispiel : „Lebendig gefangen nehmen“, „das Leben schenken“, „beleben“, und : „wieder beleben“. Das dazu passende Hauptwort schwankt zwischen Gefangennahme und Verschonen.
Jetzt sind wir irritiert, oder? Denn dann wäre folgendes zu übersetzen:
„Von nun an wirst Du Menschen lebend fangen, ja zum Leben fangen, fangen- auf dass sie leben, endlich wieder leben“.
Auch hier auf dem Kirchentag gilt das: hier sollen auch Menschen gefangen werden, damit sie leben. Lebendig sind. Lebendig werden. Die vordringlichste Aufgabe einer Kirche, der katholischen Kirche. Menschen fangen, damit sie Leben leben. Wahres Leben leben.
Notfalls indem sie alles wegwerfen- wie die ersten drei Jünger –ihr altes Leben wegwerfen und es an Gott verschwenden. Mit Haut und Haaren, ganz. Davon ist die Rede in der Bibel. Von Anfang bis Ende. Jesus mutet den Menschen auf seinem Weg vieles zu. Er ist da ganz radikal. Er lockt sie aus einer gesicherten Existenz heraus in sein neues, freies, ungesichertes Leben. Immer auch mit dem Satz: „ Wer seine Seele retten will, der wird sie verlieren- wer aber seine Seele verliert um meinetwillen, der wird sie finden.“