06.07.2012, Das Sterben und der Tod-werden wir uns dem je wirklich nähern können ?

Gedanken einer deutschen TV-Journalistin auf dem 13. süddeutschen Hospiztag in Stuttgart

Ein schweres Thema. Sie haben, so habe ich Sie verstanden, vor allem die Journalistin eingeladen. Eine, die bei einer Tageszeitung, einer Boulevardzeitung, in drei verschiedenen öffentlich-rechtlichen Sendern gearbeitet hat. Als Reporterin, Moderatorin, Redaktionsleiterin und zuletzt als Direktorin für Hörfunk und Fernsehen.
Aber ist bin auch engagierte Katholikin, stellvertretende Vorsitzende von UNICEF Deutschland r und heute, in meinem dritten Leben, Kommentatorin bei einer großen Boulevard-Zeitung zu den aktuellen Themen in unserem Land und in der Welt.
Werden wir uns dem Sterben und dem Tod je wirklich nähern können? Das wollen Sie jetzt von mir erfahren. Nur: Frage zurück. Können wir das überhaupt beantworten?

Als Journalistin habe ich aus vielen Kriegsgebieten berichtet

Eines dabei gleich vorweg. Ich muss hier trennen. Zwischen der Journalistin die  aus Krisen- und Kriegsgebieten berichtet hat. Aus dem Krieg in Bosnien, aus Ruanda nach dem Genozid, aus Tschetschenien. Dann die Moderatorin von Sendungen über Sterbehilfe und Organtransplantation. Die Auslandskorrespondentin in London und Tokyo. Wo ich in London zum Beispiel mit den Bilder der BBC den beginnenden Krieg in Afghanistan, den Krieg wegen der vermeintlichen Massenvernichtungswaffen im Irak gecovert habe. Und die Filmemacherin mit Stücken aus einem Sterbehospiz oder einem Pflegeheim.
Und: Der privaten Frau. Die Kinder hat, die ihre Eltern begraben hat. Die einen Mann hat den sie liebt.
Ich denke, Sie interessiert vor allem die Journalistin, die ich in allen Funktionen immer war. Man ist Journalist, immer und 24 Stunden am Tag.

Wir kommen dem Tod ganz nah

Wir kommen dem Tod ganz nah, wir Journalisten. Weil ein Tod auch immer eine Nachricht ist. Ich erinnere mich noch wie heute: erster Tag als Volontärin in der Außenredaktion des Münchner Merkur in Miesbach. Zwei Herren an dicken Schreibtischen, im Vorraum eine Frau so um die 50. Nicht Redakteurin, nicht Sekretärin, das war schnell klar.
Ich bekam im Rücken des Redaktionsleiters den Schreibmaschinentisch zugewiesen. Und als eine der ersten Aufgaben den Polizeireport zu gewiesen . Also dort anrufen, was es denn so Aktuelles gäbe, nachfragen und dann je nach Nachrichtenlage 20, 30 Zeilen schreiben. An diesem meinem ersten Morgen erzählte mir der Beamte ganz ungerührt, dass sie eine Tote hätten. Eine Tote an der Autobahnbrücke Weyarn. Jung, nackt, von unzähligen Stichen getötet. Ich schreibe mir alles auf. Erzähle das den Redakteuren. „Da müssen Sie hin, wir brauchen ein Foto und mindestens 45 Zeilen für die Gesamtausgabe.“ 

 

Meine erste Tote war 18 Jahre und nackt

Die Tote, das war mir jetzt auch klar, ist eine kleine Sensation für die Lokalredaktion. Und bringt gleich auch die Chance im Hauptblatt mit der Geschichte zu erscheinen. Ich bekomme eine Kamera in die Hand gedrückt, stecke mir den Block und den Bleistift ein, es war Winter und kalt, Kulis geben da leicht den Geist auf.
Am Tatort angekommen weise ich mich aus, die Beamten nehmen mich kaum wahr. Ich gehe vorsichtig zu der Toten vor. Sie liegt im Schnee, mit dem Kopf nach unten. Und: sie ist nackt.  Eine Hand ist ausgestreckt, die andere liegt am Körper. Ich muss ein Foto machen. Nur wie? Das hat mir keiner gesagt. Was darf , was soll man sehen, was nicht? 

 

Wie nah gehe ich mit der Kamera ran?

Zur Erinnerung: das war 1969, wir hatten noch keine Debatte über Moral und Ethik im Journalismus geführt. Ich verstecke mich hinter meiner Kamera, und drücke ab. Jetzt hilft mir meine jahrelange Fotoerfahrung. Ich versuche, dass wenig von Kopf und Gesicht zu sehen ist. Bleibe eher in der Totalen, so heißt das dann auch später im Fernsehen. Die Kamera ist wie ein Schutzschild, damit mir diese 18jährige Tote nicht zu sehr an die Nieren geht. Ich will als junge Volontärin funktionieren und mir als  junge Frau keine Blöße geben. Schreibe schnell alles auf, was ich sehe und bin dann doch ziemlich erleichtert, als ich wieder im Auto sitze und zurück in die Redaktion fahre.
Es wird ein Aufmacher im Lokalteil, eine große Geschichte im Mantel, also der Hauptausgabe, die Fotos wurden gedruckt und belobigt….aber am Abend zu Hause habe ich schon noch mehrfach tief Luft geholt. Die Bilder gehen mir nicht aus dem Kopf. Ich hoffe inständig, dass eine solche Aufgabe nicht  allzu oft der Lokalreporterin gestellt werden würde…

Frauen sehen die Welt anders- nicht besser, nicht schlechter, nur:anders

Was dann in den kommenden Jahren in den Lokalredaktionen des Münchner Merkur, in der Abendzeitung auch nicht geschah. Nah an den Tod bin ich dann erst wieder als Reporterin für mein ZDF-Frauenjournal ML Mona Lisa gekommen. Weil mir immer schon klar geworden ist, dass Männer und Frauen auf das Geschehen um uns herum und in der Welt einen unterschiedlichen Blick werfen.
Nicht besser, nicht schlechter, aber anders. Und deshalb habe ich entschieden, dass Krisen- und Kriegsberichterstattung auch von Frauen gemacht werden muss. Wir haben im Frauenjournal 1992 als erste von den Massenvergewaltigungen auf dem Balkan berichtet. Diese Interviews mit den Frauen sind unglaublich unter die Haut gegangen. Als Reporterin bewegt man sich da immer auch auf dünnem Eis. Was kann ich noch fragen, was mag mir die Frau dann tatsächlich erzählen. Wie nah geht, oder zoomt  der Kameramann- damals hatten wir leider noch kaum Frauen in diesem Beruf- an das Gesicht heran. Was kann der Zuschauer ertragen ? Wie bleibt die Würde der Frau gewahrt?

Wir müssen immer wahr und authentisch berichten

Wo ist die Grenze zwischen journalistischer Neugier, echtem Interesse, und wo muss ich innehalten. Wo darf ich einfach nicht weiter bohren ?
Denn: die Würde des Menschen ist für mich unantastbar. Das habe ich in der Lokalredaktion des Miesbacher Merkur gelernt, das wird mich ein Leben lang nicht begleiten. Vor allem auch die Erkenntnis: Wir begegnen uns immer zweimal. Mindestens. Auch wenn niemand kontrolliert, was ich tatsächlich aus Sarajewo oder von der nordkoreanischen Grenze berichtete- ich bin der Wahrheit verpflichtet, schummeln, schwindeln, Situationen einfach erfinden- das geht überhaupt nicht. Genauso wenig, wie Menschen für eine Geschichte entblößen, oder ganz umgangssprachlich: in die Pfanne hauen. 
In einer Lokalredaktion stehen die Menschen, über die sie schreiben, deren Fotos sie veröffentlichen, am nächsten Tag vor der Türe. Und genauso ehrlich, aufrichtig, und anständig müssen wir Journalisten immer und überall aus allen Teilen der Welt reportieren. Das ist für mich festgeschrieben und gehört elementar zur Ethik und Moral unseres wunderbaren Berufs.

Was wollt ihr Frauen im Krieg-fragte doch glatt ein Kollege

Aber wieder zurück zur zentralen Frage heute:
Werden wir uns dem Tod und dem Sterben je wirklich nähern können?
Als Journalistin kommt man da nicht aus. Wir müssen uns dem zentralen Thema des Lebens nähern. Nichts bedroht die Menschheit mehr, als derzeit die 54 Kriege in der Welt.
Aber ich erinnere mich noch sehr gut, wie mich ein Kollege im ZDF gefragt hat: was hat Mona Lisa in Tschetschenien zu suchen? Das covern wir doch aus Moskau….Meine Antwort kam schnell war simpel. Weil auch im Krieg in Tschetschenien, wie in allen Kriegen, vor allem die Frauen und Kinder und die alten Menschen leiden und betroffen sind.
Deshalb bin ich nach dem Genozid als eines der ersten Fernsehteams nach Ruanda gegangen. War sieben Mal in Bosnien, in Tschetschenien. Und immer und überall begleitet einen die Frage: welche Bilder drehen wir? Welche Bilder zeige ich dann dem Fernsehzuschauer, wie nah gehe ich ran, oder wie weit bleibe ich weg.
Wenn ich mit meinen Sendungen Menschen erreichen möchte, war mir und auch meinen Kameramännern klar: wir brauchen eindrucksvolle Bilder. Ganz flapsig hieß das bei uns: Kinderaugen groß.

Für Journalisten gilt auch die Chronistenpflicht-Tote hin oder her

Es klingt zynisch. Aber wir als Fernsehmacher wissen eben auch, dass wir nur  über die Emotionsschiene Nachrichten transportieren können. Nur mit starken Bildern die Menschen vom zappen abhalten, nur so vielleicht die „Gefühlsebene „erreichen. Die dann zu Mitgefühl führt, und vielleicht zum Handeln, und eventuell sogar zu Spenden.
Also sind wir immer auch ganz nah am Sterben und am Tod. In Tschetschenien kamen wir an kilometerlange Massengräber. Nun muss man wissen, es war dort kein anderes Kamerateam. Nur wir vom ZDF. Da gilt dann die Chronistenpflicht. Das muss gedreht werden. Nur wie? Abschwenken, zoomen, zum Schneiden brauche ich dann Zwischenschnitte. Also Details. Aber bitte nicht zu nah. Die Botschaft muss klar sein: hier sind hunderte von Menschen ums Leben gekommen.
Vermutlich erschossen von den russischen jungen Soldaten. Kinder noch, 14, 15 Jahre alt. Ich habe auch sie begleitet für meine Reportage und die Eltern erlebt, die zwei, drei Tage lang in Bussen durch Russland gefahren sind, um ihre Kinder zu suchen. Die waren auf der Strasse abgegriffen worden und in Uniformen gesteckt um zu kämpfen, um zu töten. 

Die Soldaten waren Kinder

Die Toten, die wir bei Grosny vorgefunden haben in den großen Kuhlen, die wurden wohl so schnell als möglich in die  Gräben geworfen. Keine Beerdigung, keine Blumen, kein weißes Tuch wie bei den Muslimen. Nein, einfach nur weg.  Wir haben das gedreht, ich habe das gezeigt, der Kameramann hat am Abend nicht mehr reden können und wollen. Obwohl ihn ja immer auch die Kameralinse schützt vor dem Geschehen davor. Diesmal war es wohl vor allem aber der Geruch der Leichen, Geruch, den man im Fernsehen nie sieht.
Was wir gerade jetzt aktuell im Fernsehen vor allem in den Nachrichtensendungen sehen, sind die Bilder aus Syrien. Da wird dann immer gesagt: die stehen im Internet, vermutlich bei Youtube oder google, und wir, die Sender können nicht für die Echtheit garantieren. Das ist journalistisch korrekt, sauber.

Wir brauchen Bilder aus dem Kriegen- damit wir sie stoppen können

Denn Journalisten sind nicht zugelassen vom Assad-Regime bei dem Bürgerkrieg, der dort herrscht. In dem, mal wieder, Kinder missbrauche werden, diesmal als Schutzschilde. Aber auch davon gibt es keine Bilder. Nur Berichte von UNICEF, von der UN-Menschenrechtskommission in New York. Damit die Welt eingreift in dieses Drama, damit sich Rußland und China endlich bewegen und mit ihren Waffenlieferungen für Assad angeprangert werden, bräuchten wir diese Bilder.
Von Kindern, die in Bussen die Armee schützen sollen, von erschossenen Kindern, weil sie Soldaten vor sich her geschoben haben. Von Schulen, in denen sich die Kämpfer verschanzen und die Kinder zwingen mit ihnen dort auszuharren. Und dadruch hoffen, dass sie nicht angegriffen werden.

In Syrien werden Kinder als Schutzschilde missbraucht

Das ist nicht nur Bürgerkrieg, das ist Kindesmord. Das verstößt gegen jegliche Menschenrechte, schon gar gegen die Kinderrechtskonvention, die alle Staaten vor 23 Jahren mal unterschrieben haben. Aber: ohne Bilder regt sich niemand wirklich auf. Ohne Bilder haben wir keine Beweise. Ohne Bilder geht der Krieg einfach weiter. Sterben Kinder und Alte, Frauen und Männer. Laut UNO über 10 000 bis jetzt, allein 20 JournalistInnen darunter.
Das Sterben und der Tod bewegen uns  aber auch ganz nah bei uns im Lande . Und da will ich ein aktuelles Thema herausgreifen, dass die Menschen hier und konsequenterweise uns Journalisten sehr beschäftigt,  und bewegt hat und immer noch höchst kontrovers diskutiert wird: das Thema Sterbehilfe, und in diesem Zusammenhang die Patientenverfügung und die Vorsorgevollmacht.
Eines vorweg: ich bin froh, dass es seit dem 1. September 2009 ein Gesetz gibt , welches das Thema Patientenverfügung regelt. Und weil ich hier als Journalistin stehe, möchte ich mit Ihnen gemeinsam nochmals zurück blicken auf die Diskussionen im Vorfeld dieses Gesetzes. 

GottseiDank endlich ein Gesetz zur Patientenverfügung

Da hat sich, quasi spiegelbildlich zur Diskussion im Bundestag, eine  hochemotionale aber auch kluge Debatte in der Öffentlichkeit, sprich in den Medien, in den Zeitungen, im Radio im Fernsehen, abgespielt. Hier die, die seit Jahren fordern, den Willen des Patienten, lebensverlängernde Behandlungen zu beenden, gesetzlich zu verankern.  Dazu hat schon 2003 der BGH entschieden. Ein Urteil, das leider gründlich missverstanden worden war.  Darin sollte das Selbstbestimmungsrecht der Patienten gestärkt werden- aber  das Gegenteil wurde hineininterpretiert. Weil, so war in allen Zeitungen damals zu lesen, das Wissen fehlte. Demnach gilt das Selbstbestimmungsrecht eines Patienten, in jedem Stadium eine Behandlung abzulehnen, auch, wenn er sich nicht mehr dazu äußern kann.
Der Arzt muss sich der Verfügung beugen, er darf das Beatmungsgerät abstellen. Er verstößt gegen kein Gesetzt, die Rechtslage ist eindeutig.

Das Selbstbestimmungsrecht steht im Grundgesetz

Die andere Fraktion wollte damals vor der Verabschiedung des Gesetzes, dass nur in der letzten Sterbephase eine Patientenverfügung gelten darf. Abgesehen von Schwerstdementen und Wachkomapatienten. Aber: ich denke das Selbstbestimmungsrecht eines Menschen läßt sich nicht einfach aufteilen. Denn es steht  ungeteilt, ungekürzt und uneingeschränkt in der Verfassung. Die Millionen Patiententestamente, die Menschen in unserem Land geschrieben haben, wären wertlos.
Ich zitiere einfach mal nur ein paar Schlagzeilen aus dieser Zeit, bevor das Gesetz den Bundestag passiert hat:
„Menschenwürdig sterben. Ein Plädoyer für die Selbstverantwortung“ –„Vom guten Tod“ –Regierung und Parlament werden Weitsicht brauchen“- Nutzlose Patientenverfügung- das Problem ist die ärztliche Inkompetenz am Lebensende“.- „Zur Menschenwürde gehört es, die Entscheidung des Patienten zu achten“.
Aber nun haben wir das Gesetz. Darum bin ich zutiefst überzeugt, dass jeder Mensch, egal welchen Alters eine Patientenverfügung verfassen sollte. Mutig und selbstbewusst, nicht ängstlich auf das Lebensende schielen.  Wir alle wissen, es wird kommen. 

Auch junge Menschen sollten eine PV verfassen

Und warum finde ich daß auch junge Menschen eine solche Patientenverfügung verfassen sollten? Weil es zu Unfällen kommen kann, und weil auch sie als Folge davon dann nicht mehr handlungs- und entscheidungsfähig sein könnten.
Dabei geht um Situationen, die wir uns jetzt im Vollbesitz unserer geistigen und körperlichen Kräfte nur schwer vorstellen können.
Eine Patientenverfügung (PV) ist eine zivilrechtlich  vorsorgliche Willenserklärung. Sie wird wirksam, wenn der Betroffene nicht mehr in der Lage ist, seine not¬wendige Zustimmung oder Ablehnung zu einer Behandlungs¬ma߬nahme direkt kund zu tun.
Sie enthält für konkrete Situationen, also eventuell eine schwere Gehirnschädigung Bestimmungen zu medizinischen Behandlungsmaßnahmen. Diese können eingefordert, ein¬ge¬schränkt oder völlig abgelehnt werden. Daneben sollten in einer PV individuelle Wünsche und Wertvorstellungen zum Ausdruck kommen.  

Zu viele Menschen werden künstlich ernährt , obwohl sie es nie wollten

Ganz wichtig: Eine Patientenverfügung muss schriftlich sein, das ist mit Inkrafttreten des "PV-Gesetzes" seit dem 1. September 2009  im Betreuungsrecht verankert. Also wie ein Testament verfasst werden. Sie ist verbindlich zu befolgen - aber nur dann, wenn die PV sich konkret auf die dann eingetretenen Umstände beziehen lässt.
Ich habe in vielen meiner Sendungen, bei ML Mona Lisa  und später im Fernsehen des NDR Fälle schildern müssen, in denen ohne Patientenverfügung Dinge mit dem Patienten passiert sind, die sie/ er, so jedenfalls die Angehörigen, nie so erleben wollte. Aber ohne dieses Papier können die Partner oder Kinder sagen was sie wollen, es werden immer Ärzte und Kliniken entscheiden. Und zwar nach deren Maßstäben.  

Die PV muss hieb- und stichfest formuliert werden   

In einer Patientenverfügung finde ich es auch wichtig, dass die ethischen Fragen der sogenannten passiven und indirekten Sterbehilfe geregelt werden.
Wer unter uns hat nicht Angst, dass wir am Lebensende einmal hilflos an "Apparaten angeschlossen"  sein könnten. Ohne Aussicht auf ein  noch lebenswertes Weiterleben. Wenn man nicht mehr reden, nicht mehr handeln kann, sich nicht mehr wehren kann. Leider können wir das in der PV nicht so allgemein niederschreiben. Das muss auch juristisch hieb und stichfest sein.
Das ist der eine Teil. Bei meinen Recherchen aber stellt ich auch immer wieder fest: auch dieses Gesetz kann die Zweifel und Unsicherheiten an einem Krankenbett nicht beseitigen. Wäre es nicht vielleicht sogar auch verhängnisvoll, wenn es das täte? Wie würde denn eine Behandlung aussehen, wenn sich die Ärzte nur nach dem Gesetz und nicht nach den Patienten richten würden?
Vor allem und im Mittelpunkt muss immer der Mensch stehen. Das ist und bleibt meine Hoffnung.

Aber: wenn es denn so einfach wäre.....

Es gibt noch andere Formulare, die wir mit dem Blick auf unser Ende und den Weg dorthin ausfüllen können und dann hoffen, dass wir eben nicht leiden und gegen unseren Willen an Magensonden angehängt werden, oder an Beatmungsgeräte, die uns nur noch als Hülle am Leben halten. Das ist die Vorsorgevollmacht, die Betreuungsverfügung…alles das fein säuberlich aufbereitet im Internet zu finden, herunterzuladen und dann einfach nur auszufüllen.
Aber: Wenn es denn so einfach wäre. Mit all diesen Gesetzen und Papieren kommen wir nicht, kommt keiner von uns an der kontroversen Frage vorbei: der Unterscheidung von aktiver und passiver Sterbehilfe. Auch das Gesetz hat dies nicht endgültig geklärt, nicht klären können. Lange Zeit war in der Medizinethik die so genannte Handeln- Unterlassen-Unterscheidung maßgeblich. Aktive Sterbehilfe besteht danach in einem Handeln, das zum Tode führt. Passive Sterbehilfe in einem Unterlassen lebenserhaltender Maßnahmen. Heute sind, auch auf Grund der Debatte im Vorfeld dieses Gesetzes, viele Ethikerinnen und Ethiker aus gutem Grund von dieser Unterscheidung abgerückt. 

Was tun, wenn einer nicht mehr essen will?

Zum einen kann man einen Menschen auch durch Unterlassen töten, indem man es beispielsweise unterlässt, ihn mit Flüssigkeit oder Nahrung zu versorgen. Zum anderen macht es in moralischer Hinsicht keinen Unterschied ob man den Tod eines Menschen durch Handeln oder durch Unterlassen herbeiführt – die moralische Verantwortung ist in beiden Fällen dieselbe.
Ein Beispiel: ein schon betagter urteilsfähiger Patient, der an einer schweren Krankheit leidet, mehrere Operationen hinter sich hat , zum Pflegefall geworden ist und allen Lebensmut verloren hat, obgleich sein Leben medizinisch noch auf unbestimmte Zeit erhalten werden kann, nimmt keine Nahrung mehr zu sich.
Da sagen jetzt einige: das Verhalten des Patienten , das den eigenen Tod herbeiführt, ist Selbsttötung. Denn nicht seine Krankheit, sondern sein selbstgewählter Nahrungsverzicht ist ursächlich für sein Sterben verantwortlich. Der Patient jedoch begreift sein Verhalten vollkommen anders. Er hat mit dem Leben abgeschlossen und möchte dem Kommen des Todes nicht mehr entgegensetzen. Deshalb ißt er nicht mehr. Er sieht sein Verhalten als ein Zulassen des Todes an.
Das ist dann doch wohl der zentrale Punkt der Debatte: darf der Tod eines Menschen nicht herbeigeführt werden, muss er abgewartet werden? Der Patient, von dem ich berichte möchte seinen Tod nicht herbeiführen, sondern er wartet ihn ab. 

Können Ärzte einen Menschen zur Nahrungsaufnahme zwingen?

Will allerdings seinem Kommen nichts mehr entgegensetzen. Auch nicht durch die Aufnahme von Nahrung. Tun wir ihm da nicht Unrecht, wenn wir seinen Nahrungsverzicht als Verfügen über den eigenen Tod bezeichnen?
Und: Können ihn Ärzte zur Nahrungsaufnahme zwingen, und sich dabei auf ihren Eid berufen? Hier kommt dann das Grundgesetz wieder in Spiel. In dem klar und deutlich das Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen festgehalten ist.
Wenn wir nun aber das Selbstbestimmungsrecht am Lebensende respektieren, müssen wir uns auch fragen, ob eine solche Selbstbestimmung auch zum Beispiel für Wachkoma-Patienten gilt. 

Hoffen wir auf verantwortungsbewußte Ärzte, die ihre Patienten achten

Wenn der Wachkoma-Patient verfügt hat, dass dem Kommen des Todes keine therapeutischen Interventionen mehr entgegengesetzt werden sollen. Weil er mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit niemals mehr das Bewußtsein erlangen wird. Wenn wir dieser Verfügung und damit diesem Menschen den Respekt verweigern und ihn  gegen seinen erklärten Willen mit allen zur Verfügung stehenden medizinischen Mitteln am Leben erhalten- oder am Sterben hindern- dürfen wir das? Ich denke- nein.
Aber nochmals: letztlich sind es immer die verantwortungsbewussten  Ärzte, die sich zum Wohle des Menschen, in seinem Sinne und nach seinen Wünschen zu verhalten haben. Inzwischen abgesichert durch Gesetze, Papiere und Verfügungen. Aber dennoch gilt, und nicht nur in meinem Beruf: Ethik und Moral sind unteilbar.

Wir können nie tiefer fallen als in Gottes Hand....

Ich wünsche mir, dass auf der letzten Strecke vor dem Tod verantwortungsbewusste Menschen meine rechtzeitig formulierten Wünsche umsetzen: die Familie, die informiert ist und alle meine Verfügungen  kennt. Die Ärzte, denen meine Angehörigen vertrauen. Und letztlich können wir nie tiefer fallen als in Gottes Hand. Was gibt es tröstlicheres?