07.11.2013, Fotos die direkt ins Herz gehen: UNICEF-Fotos des Jahres in Osnabrück

Vortrag zur Ausstellungseröffnung

 Ich freue mich sehr, heute hier im Erich Maria Remarque-Friedenszentrum in Osnabrück den Hintergrund einer  – wie ich finde -  beeindruckenden Ausstellung erläutern zu dürfen. Sie sehen hier Bilder, die beim internationalen Fotografie-Wettbewerb „UNICEF-Foto des Jahres“ in den Jahren 2010 und 2011 ausgezeichnet wurden.
Zusammen mit dem Magazin GEO im Verlag der Gruner + Jahr prämiert UNICEF Deutschland seit dem Jahr 2000 jährlich Fotografien und Fotoreportagen, die Kinder und ihre Lebensumstände auf herausragende Weise dokumentieren.
GEO ist ein weltweit renommiertes Fotomagazin – doch warum organisiert UNICEF Deutschland einen solchen Wettbewerb.
Das Kürzel UNICEF kennen heute - laut Umfragen-  98 Prozent der deutschen Bevölkerung. Die Buchstaben UNICEF stehen für United Nations International Children‘s Emergency Fund. Unter diesem Namen begann die Hilfe. Man schrieb das Jahr 1946: Direkt nach dem zweiten Weltkrieg, als Europa durch den von Deutschland begonnenen Krieg in Trümmern lag, gründeten die Vereinten Nationen einen Notfonds, um den Kinder in dieser Region zu helfen – und zwar ausdrücklich allen Kindern, auch denen im besiegten Deutschland.
»Die Gründung von UNICEF war die Antwort auf das Scheitern der Menschlichkeit während des Zweiten Weltkrieges«, sagte Nelson Mandela rückblickend anlässlich des 60. Geburtstages von UNICEF.
Ich selbst bin im Gründungsjahr von UNICEF zur Welt gekommen, bin ein paar Monate älter als die Organisation, für die ich mich heute ehrenamtlich engagiere. Ich gehöre also fast noch zu der Generation, die nach dem Krieg erfuhr, dass Deutschland trotz der begangenen Verbrechen geholfen wurde: durch die gerade gegründeten Vereinten Nationen!
1948 hatte die UNICEF-Mission in Berlin zum Beispiel allein 416 Tonnen Lebertran, 96 Millionen Lebertran-Kapseln und 9.000 Kilo Milchpulver bereitgestellt.
In einem Schulaufsatz, der sich erhalten hat, schrieb die neunjährige Margarete: „Herzlichen Dank für die schönen Schuhe. Ich bin zehn Jahre alt und ein Flüchtlingskind aus Ostpreußen“.
Sieben Jahre später, am 30. Juni 1953 riefen engagierte Bürger dann das Deutsche Komitee für UNICEF ins Leben. Ihre Absicht war eindeutig. Sie wollten von der empfangenen Hilfe etwas zurückgeben! 
Das ist es, worum es bei UNICEF bis heute geht:  
Trotz aller Unterschiede von ethnischer Herkunft, Religion, Einkommen, Nationalität und politischer Auffassung, trotz der vielen trennenden Kräfte in einer unruhigen Welt - die Unschuld von Kindern sprengt alle geographischen, politischen und sozialen Grenzen.
Heute unterstützt UNICEF Kinder in 150 Ländern, versorgt mangelernährte Mädchen und Jungen mit Zusatznahrung, stellt Medikamente und Impfstoffe bereit, schützt sie vor Gewalt und Missbrauch und stellt Schulmaterial für Millionen Kinder zur Verfügung.
Gemeinsam mit seinen Partnern hat UNICEF viel erreicht.  So sank die Kindersterblichkeit deutlich. Weltweit gehen mehr Mädchen und Jungen zur Schule als je zuvor.  1989 schuf die Generalversammlung der Vereinten Nationen ein neues stabiles Fundament der Arbeit von UNICEF:  die UN-Kinderrechtskonvention. Sie hält erstmals fest, dass Kinder eigene Rechte haben, also nicht nur Objekte unserer Fürsorge sind. Das Recht aller Kinder auf Überleben, Bildung, Schutz vor Missbrauch und Gewalt wurde von fast allen Staaten der Erde unterzeichnet. Die Konvention hat dazu beigetragen, das weltweite Ausmaß der Ausbeutung von Kindern überhaupt erst sichtbar zu machen – ein erster Schritt, um schlimme Verhältnisse zu ändern.
UNICEF Deutschland ist seit langem eine der wichtigsten Stützen dieser weltweiten Arbeit. Durch die große Unterstützung der Bundesbürger konnten wir in den vergangenen 60 Jahren insgesamt 1,7 Milliarden Euro aus Spenden und Erlösen des Grußkartenverkaufs für Kinder in Entwicklungsländern und Krisengebieten bereitstellen – mit großer Wirkung: Allein mit der Kampagne „Schulen für Afrika“ erhielten seit 2005 zwölf Millionen Kinder in elf Ländern südlich der Sahara bessere Lernbedingungen. Die Spender haben auch Aufklärungsprogramme ermöglicht, durch die Tausende Dörfer im Senegal die Genitalverstümmelung von Mädchen abgeschafft haben – und sie sorgen dafür, dass Kindern in Krisengebieten wie jetzt in Syrien geholfen wird. Während der Hungersnot am Horn von Afrika 2011 trugen deutsche Spender entscheidend dazu bei, Hunderttausende schwer mangelernährte Kinder zu retten.
Flexibel einsetzbare Spenden sind besonders wichtig: Schon über 170.000 UNICEF-Paten spenden regelmäßig jeden Monat zehn Euro oder mehr. So helfen sie langfristig und erreichen auch Kinder, die nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen – wie in Nordkorea, Simbabwe oder im Sudan.
In Deutschland macht UNICEF die Kinderrechte bekannt, rückt Kinderrechtsverletzungen ins Blickfeld und setzt sich politisch für Verbesserungen ein. Ein Resultat dieser Arbeit auf der Grundlage der UN-Kinderrechtskonvention ist zum Beispiel das Recht auf gewaltfreie Erziehung, das in Deutschland im Jahr 2000 in Kraft trat. Heute sucht die Initiative „Kinderfreundliche Kommunen“ in einem Pilotprojekt neue Wege, wie die Gemeinden ein besseres Umfeld für die nachwachsende Generation schaffen können.
Bundesweit engagieren sich 8.000 Ehrenamtliche in 150 Gruppen für UNICEF. Sie organisieren Veranstaltungen wie diese hier in Osnabrück. Sie rufen zu Spendenaktionen auf, leisten Informationsarbeit in Schulen und verkaufen die bekannten Grußkarten – kurz sie sind es, die UNICEF den deutschen Bürgern nahe bringen, sie tragen die Organisation und sie geben ihr ein Gesicht.
Ihre Aufgabe ist nicht einfach . Es gilt, die Öffentlichkeit über die Situation von Kindern weltweit zu informieren und Unterstützung für Kinder in Not zu mobilisieren.
Fotografien sind dabei hilfreich, ja unentbehrlich. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir wünschen, dass wir alle nie vergessen, die Welt immer wieder mit den Augen der Kinder zu sehen. Damit wir sehen, was sie wirklich brauchen.
Gute Fotografien können genau das: Unsere Augen für die Not und die Hoffnung der Kinder öffnen. Sie sprechen unsere Gefühle an. Deshalb schauen die Menschen immer zuerst auf die Fotos, wenn sie eine Zeitung aufmachen. Deshalb lieben sie das Fernsehen. Und deshalb setzen auch die neuen digitalen Medien vor allem auf die Kraft der Bilder.
Die Gefahr, die darin liegt kennen Sie alle: Die Leser, Zuschauer, Nutzer drohen in der Flut der Bilder zu ertrinken, die täglich auf sie einströmen. Im Kampf um Quoten, Auflagen, Klicks setzen viele Medien auf immer härtere Schockbilder, um  Aufmerksamkeit zu erregen.
Die Preisträger des Wettbewerbs „UNICEF-Foto des Jahres“ gehen einen anderen Weg. Sie erzählen Geschichten, die im Gedächtnis bleiben, über die Tagesaktualität hinaus. Der Blick dieser Fotografen bringt uns die abgebildeten Kinder nahe. Er erfasst in einem einzigen Moment ihre Person und ihre Lebensumstände. Und er setzt uns in Beziehung zu dem Schicksal dieses Kindes.
So können diese Fotografien Brücken bauen - zwischen dem Süden und dem Norden, zwischen Entwicklungsländern und Industrienationen und  zwischen ehemaligen Kriegsgegnern. 
Zum Beispiel das UNICEF-Foto des Jahres 2010. Der amerikanische Fotograf Ed Kashi zeigt die neunjährige Nguyen Thi Ly aus dem vietnamesischen Da Nang. Ihr Gesicht ist gezeichnet durch die Spätfolgen eines Krieges, der vor 35 Jahren beendet wurde. Das Entlaubungsmittel „Agent Orange“ hat das Erbgut vieler Menschen geschädigt. Fotografen wie Ed Kashi machen schwere Schicksale erfahrbar, ohne je nach Sensationen zu heischen.
 „Ich glaube zutiefst an die Kraft stiller Bilder. Sie können die Einstellung von Menschen ändern“, sagt Kashi über seine Arbeit. Besonders am Herzen liegen ihm die kleinen „Kriegsveteranen“. Er will deutlich machen, dass unter einem Krieg auch Folgegenerationen zu leiden haben – ohne dass ein Ende abzusehen ist. UNICEF unterstützt heute vor allem mit Spendengeldern aus den USA Hilfsprogramme für behinderte Kinder in Vietnam. Sie sollen ein möglichst normales Leben führen können und vor Diskriminierung geschützt werden.
Der Iraner Majid Saeedi macht die bitteren Auswirkungen des Bürgerkrieges  in Afghanistan deutlich. Sein Foto zeigt die sechsjährige Mina, die ihrer Freundin die künstliche Hand ihres Bruders Akram zum Spielen hinhält. Die Familie war vor den Kämpfen in ihrer Heimat Jalal Abad in das pakistanische Peschawar geflohen. Der heute achtjährige Akram sammelte dort schon als kleiner Junge Schrott auf einer Müllkippe, damit die Familie überleben konnte. Im Abfall fasste er ein stromführendes Kabel an, seine Hände und Arme mussten auf Grund der Verbrennungen amputiert werden. Die Bilder, die Majid Saeedi im Sommer 2010 aufnahm, halten die Selbstverständlichkeit und die spielerische Leichtigkeit fest, mit der Kinder die „Körper-Ersatzteile“ handhaben.
Ich selbst habe dieses Land im Juli 2012 besucht. Ganz in der Nähe von Kabul konnte ich Jungen wie Akram bei ihrer Arbeit sehen. Sie waren in einem nahezu ausgetrockneten Flussbett unterwegs.  Zwei Jungen mit langen Stöcken sammeln Abfall und stecken ihn in Säcke. Aber nicht, um dort sauber zu machen, sondern um diesen Abfall wieder zu verwerten.  Allein rund um Kabul gibt es immer noch 35 Flüchtlingslager. Über eine Million Flüchtlinge vegetiert hier unter ärmlichsten Bedingungen. Die Mehrzahl davon: Kinder. UNICEF unterstützt  Aschiana, eine Nicht-Regierungs-Organisation mit 180 freiwilligen Mitarbeitern. Über 10 000 Kinder werden von ihnen betreut, erhalten Unterricht im Lesen und Schreiben, im Zeichnen, Sport oder in Musik. Die Aschiana-Mitarbeiter  gehen in die Lager, wo seit vier, fünf Jahren die Flüchtlinge versuchen zu überleben. Sie bringen Kleidung, Essen und sauberes Wasser. Alle die Dinge, um die sich eigentlich eine verantwortungsvolle  Regierung kümmern müsste.
Der Leiter von Aschiana, Direktor Mohammad Yousef ist darum auch sehr wütend: “Die afghanischen Politiker sind nicht sozial engagiert. Sie kümmern sich nicht um die Menschen hier, sondern nur um sich selbst und ihr Einkommen“.
Diese Tatenlosigkeit der Regierung trifft vor allem die Benachteiligten – und das sind in Afghanistan Mädchen und Frauen.  Auf dem Land verlässt keine von ihnen ohne Burkha das Haus. In Kabul scheint die Gesellschaft toleranter. Auf dem Markt mischen sich Frauen mit der Burkha, und die mit dem persischen Hidschab, der wenigstens die Augen frei lässt. Andere gehen tatsächlich nur mit einem Tuch über dem Kopf, darunter das Haar streng weggebunden, mit langen Ärmeln und langen Hosen einkaufen.
Doch in allen Interviews erfahre ich von afghanischen Frauen das gleiche: die häusliche Gewalt nimmt zu. Männer schlagen ihre Frauen nicht nur, in der letzten Zeit schneiden sie ihnen auch Körperteile ab. Finger, Zehen, und dann verbrennen sie die Glieder. Ich bin fassungslos. Immer wieder höre ich auch: Die Regierung unterstützt die Rechte der Frauen in keinster Weise. Auch wenn es ein Frauenministerium gibt.
Doch immer mehr junge Frauen wehren sich.  Zum Beispiel die 20jährige Adiba und ihre 14jährige Schwester Sabrina aus Charikar. Sie  gehen begeistert in die Schule, eine gute Ausbildung ist ihr Ziel. Und ein Beruf, von dem sie sich eines Tages ernähren können. Auch, wenn es sein muss, im Ausland.
Ihre Mutter Safia aber geht nur in der Burkha einkaufen.“ Ich habe sie früher nicht getragen, weil ich davon Kopfschmerzen bekommen habe“. Aber die Nachbarn haben sich den Mund über sie zerrissen. Seitdem zieht sie dieses blaue Totalgewand mit dem kleinen netzartigen Augenausschnitt über ihren Kopf, um sich vor  männlichen Blicken zu verhüllen.
Ich habe mal eine solche Burkha übergezogen. Darunter ist es unsäglich heiß, das Oberteil sitzt fest und presst Dir die Haare an den Kopf, das winzige Gitter erlaubt nicht mal einen Blickwinkel von 180 Grad. Ich könnte damit nicht sicher eine Straße überqueren. Nirgendwo im Koran steht, dass Frauen so rumlaufen müssen. Es ist aus meiner Sicht eine reine Schikane von intoleranten Männern. 
Die beiden Schülerinnen laden mich zu sich nach Hause ein. Ihre Mutter Safia freut sich. Wir sitzen ohne Schuhe bei ihr auf dem Boden. Weil wir nur Frauen sind, umhüllt sie ihr dunkles Haar nur noch mit einem Tuch. Auch die Mädchen ziehen sich hübsch an und legen dann sogar ihre Tücher beiseite.  Auf  meine Frage, ob sie auch später eine Burkha tragen würden, schütteln sie energisch den Kopf und lachen mich an.
Adiba und Sabrina machen Mut. So wie 20 andere Mädchen im Jugend- Kontakt- Zentrum in Parwan. Auch dies unterstützt UNICEF.  Sie gehen in die Familien. Wollen die Eltern überzeugen, ihre Mädchen länger als bisher in die Schule zu schicken. Damit die einen Schulabschluss machen und einen Beruf erlernen.
Die 16jährige temperamentvolle Rakhsar erzählt von einem erst uneinsichtigen Vater: “Eine Stunde mußte ich auf ihn einreden, damit er seine Tochter wieder in die Schule schickt.“, erzählt sie mit blitzenden Augen. Dann sei sie richtig wütend geworden. Kaum zu glauben, wenn man die patriarchale Gesellschaft in Afghanistan zu kennen glaubt. Aber Rakhsar hat Power, ist durchsetzungsstark und will eines Tages Journalistin werden. Mädchen und Frauen wie sie verdienen unsere Unterstützung.  Aber sie sind nicht die einzigen, die unter den grausamen Bedingungen einer von männlicher Gewalt geprägten Gesellschaft leben müssen.
Der Fotograf GMB Akash aus Bangladesch führt uns vor Augen, wie Prostitution das Leben junger Mädchen zerstört. Er dokumentiert die Not oft blutjunger Prostituierter in seiner Heimat. Sein Erschrecken über die ausweglose Situation dieser Mädchen in den Bordellen in der Region Faridpur wuchs, als er erfuhr, was die Mädchen ihren Körpern antun müssen, um älter und attraktiver zu erscheinen. Sie nehmen oft täglich und über Jahre hinweg ein Steroid ein. Es führt zu Wasserablagerungen im Gewebe, die die Körper der jungen Mädchen üppiger und fülliger wirken lassen. In Ländern wie Bangladesch wird es auch Rindern eingeflößt, um wohlgenährt zu wirken. Vor allem aber ist es für Schwerkranke gedacht, die unter Arthritis, Asthma oder Allergien leiden.
Auch das Gesicht der 20-jährigen Yasmin, die Sie auf einem seiner Fotos hier sehen können, ist durch das Steroid aufgedunsen. Sie lebt seit ihrer Kindheit in einem Bordell – so wie ihre Mutter, die dort 30 Jahre  lang als Prostituierte arbeitete. Oradexon, so der Name des Mittels, ist billig und unkompliziert zu beschaffen. Dass sie ihre Gesundheit durch das Medikament schwer schädigen, müssen die Mädchen in Kauf nehmen. Ich teile die Hoffnung des Fotografen, dass seine Fotos zu verstärkten Anstrengungen beitragen, um Kinder vor allen Formen sexueller Ausbeutung zu schützen.
Oft hören wir von grausamer Ausbeutung in anderen Kontinenten und Kulturkreisen und denken insgeheim: Gut, dass das alles weit weg ist und nichts mit uns und unserem Leben im Wohlstand zu tun hat. Zwar ahnen wir zugleich, das könnte ein Trugschluss sein, aber eigentlich wollen wir es lieber nicht gar nicht so genau wissen und wahrhaben.
Als 2011 der junge deutsche Fotograf Kai Löffelbein den UNICEF-Fotopreis.  gewann, erregte dies trotzdem großes Aufsehen. Diese außerordentlich breite Reaktion der Öffentlichkeit ist ein gutes Zeichen. Denn Löffelbeins Arbeit beweist: Es ist in der Tat nicht wahr, dass die Ausbeutung dort und unser Leben hier nichts miteinander zu tun haben.  Seine Aufnahme zeigt einen Jungen, der in der Nähe von Accra, der Hauptstadt von Ghana, von Elektroschrott umgeben auf einer Müllhalde steht. Er hält  einen alten PC-Bildschirm in die Höhe – der Bildschirm ist etwas klobig, unmodern halt. Aber genauso einen hatten doch die meisten von uns noch vor ein paar Jahren auf dem Schreibtisch stehen. Und wer weiß – vielleicht war es genau dieses Gerät.  
Als Vorhof zur Hölle beschreibt Kai Löffelbein die Müllhalde, die Arbeitsplatz ist für Tausende Kinder. Wenn Sie hier in der Ausstellung seine Fotos betrachten, werden  Sie ihm Recht geben.
Kai Löffelbein schilderte bei der Preisverleihung, wie überall auf dem Platz kleine bis mittelgroße Feuer brennen. Oft hängt der Rauch wie Nebel in der Luft. Dann kann man keine zwei Meter mehr weit schauen. Und während man im Nebel steht und nichts mehr sieht, tauchen dann  ganz gespenstisch Menschen plötzlich aus dem Rauch vor Dir auf, um dann wieder von diesem wabernden  Nebel verschluckt zu werden.
Auf dem Platz gibt es eine klare Hierarchie. Ganz unten in der Hierarchie stehen Kinder wie der kleine Junge auf dem von Unicef prämierten Bild. Dieser Junge hat Glück gehabt, er hat nämlich einen Bildschirm gefunden, der von den anderen Arbeitern auf dem Platz noch nicht vollständig ausgenommen wurde.
In dem Moment als das Foto entstand, hebt er gerade den schweren Monitor hoch,  um ihn auf den Boden zu schmettern, um so an den Aluminiumrahmen zu kommen.  Der Platz ist voll von Kindern, die umher streifen und Ausschau halten nach Elektroschrott, den andere Arbeiter achtlos beiseite geworfen haben. 
Die Bilder des jungen Fotografiestudenten sind verstörend. Weil sie uns die Augen öffnen, wie stark Kinder unter unerträglichen und für uns unvorstellbaren Bedingungen arbeiten müssen. Gleichzeitig zeigen sie die Schattenseite des technologischen Fortschritts:  Unser Elektroabfall bedroht das Leben von Kindern auf anderen Kontinenten.
Ich denke, diese Arbeit ist ein herausragendes Beispiel dafür, was gute Fotografie beim Betrachter bewirken kann. Insgesamt 23 Fotografen aus 12 Ländern tragen mit 88 exzellenten Fotografien zu dieser Ausstellung bei. Sie sehen hier einen wichtigen Ausschnitt aus einem Wettbewerb, an dem sich jedes Jahr die besten Fotografen aus allen Teilen der Welt beteiligen. Fotografen aus über 70 Nationen und allen fünf Kontinenten wurden bislang ausgezeichnet. Sie dokumentieren in Einzelfotos oder Fotoserien die Lebensverhältnisse von Kindern, die sich in einer schwierigen Lage befinden: im Krieg, in materieller oder seelischer Not, nach Naturkatastrophen. Aber auch Momente des Glücks, der Lebensfreude und Facetten unterschiedlicher Alltagswelten.
Voraussetzung für die Teilnahme ist die Empfehlung durch einen international renommierten Experten der Fotografie. Über die Preisvergabe entscheidet auch in diesem Jahr wieder eine unabhängige Jury unter dem Vorsitz des renommierten Kunstwissenschaftlers Prof. Klaus Honnef. Die Jury wird übrigens just morgen in Köln zusammen kommen, um die Preisträger des Jahres 2013 auszuwählen. Wir dürfen also gespannt sein, müssen allerdings noch bis zum 19. Dezember warten. Dann wird die Entscheidung in Berlin bekannt gegeben. Traditionell wird die deutsche First Lady und UNICEF-Schirmherrin Daniela Schadt den Sieger oder die Siegerin ehren. Als Anerkennung gibt es wieder einen Fotoreportage-Auftrag für GEO.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen deutlich machen, wie eng diese Art der Fotografie mit den Zielen von UNICEF korrespondiert. Durch die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem Fotomagazin GEO, dessen Exzellenz gute Fotografen weltweit schätzen, steht der Wettbewerb für höchste Qualitätsansprüche im Fotojournalismus. Die Fotografen, die daran teilnehmen, dokumentieren auf unabhängige, aber trotzdem mitfühlende Weise Lebensverhältnisse von Kindern. Sie schärfen unsere Wahrnehmung für die Not und die Hoffnung von Kindern. Auf manchen Bildern trifft uns ihr ängstlicher Blick, andere Fotografen bringen uns selbstbewusste Kinder und Jugendliche nahe, die ein schweres, manchmal tragisches Schicksal meistern. Sie führen uns die enorme Energie und Stärke vor Augen, über die Kinder verfügen. Diese Kraft bestärkt mich persönlich in der Zuversicht, dass es möglich ist, diese Welt Schritt für Schritt zu einem besseren Ort zu machen – so wie UNICEF es sich zum Ziel gesetzt hat.