26.01.2015, Stimme erheben! kenote bei der Verleihung des Preises "Frau Europa"

Lesen Sie hier den Text der keynote-speech anlässlich der Verleihung des Preises „Frauen Europas“ am 26. Januar 2015 in Berlin:

Perspektiven und Chancen der Partizipation von Frauen in Deutschland und Europa

Was bringt uns dazu, sich gesellschaftlich zu engagieren?

Welche weiblichen Rollenbilder gibt es?

Die Stimme erheben- so haben Sie, die Veranstalterinnen des Preises Frauen Europas dieses Seminar überschrieben. Und auch gleich den Untertitel dazu gesetzt: Frauenpolitische Akteure in Deutschland und Europa-Chancen und Grenzen.

Das könnte man kurz beantworten: wir haben alle Chancen- wenn wir uns nicht begrenzen. Es ist dieser Dualismus der uns Frauen zuweilen hemmt und bremst.

Ich erinnere mich noch wie heute, als ich das erste Mal als junge Redakteurin in der renommierten Tageszeitung an der Chefredaktionskonferenz teilnehmen durfte. Natürlich in der hinteren Reihe, nicht vorne am Tisch....

Rund 35 Herren- zwei Damen. In Guatemala war der Botschafter ermordet worden. Er kam aus Regensburg, dort lebte auch sein Bruder. Das Blatt wollte eine ganze Seite 3 Geschichte daraus machen. Wer fährt nach Regensburg? Wer hat ein Auto? Keiner meldete sich, da hob ich schnell die Hand. Erstaunen beim Chefredakteur- die Volontärin ? Na ja- ich bekam den Zuschlag. Bekam eine erfahrenen Redakteur in der Redaktion zum redigieren zur Seite gestellt und sollte los. 

Zupacken und Chancen ergreifen!

Nur- ich hatte gar kein Auto. Schnell meine Mutter anrufen, ich brauch Dein Auto....das klappte. Ich durfte eine Seite drei schreiben, der männliche Kollege schrieb seinen Namen zuerst in die Autorenzeile- aber das war mir dann egal.

Warum ich das erzähle: ich ergriff eine Chance, mit ein bischen mogeln. Ich hatte den Mut, mir diese Geschichte zuzutrauen, weil ich mein Handwerk gelernt hatte. Und- weil kein anderer Mann an diesem Tag nach Regensburg fahren wollte....es war Sommerzeit, Ferienzeit.

Jede von uns bekommt irgendwann im Leben IHRE Chance. Wir müssen sie nur ergreifen. Mutig zupacken. Nicht zögern.

Das der erste Schritt....die nächsten folgen dann oft wie von ganz alleine? Nein- nicht wirklich.

Es ist ein langer, oft sehr mühevoller Weg. Bis wir Frauen da sind, wo wir gehört, wahrgenommen, gelesen und beachtet werden. Ich beobachte das in der Politik sehr wohl. Nicht als Teil - aber als Zuschauerin. Wie es bei mir ist, in den Medien, davon kann ich sehr gut berichten. Als Tageszeitungsredakteurin, als Radioreporterin, Fernsehmoderatorin, Redaktionsleiterin, Auslandsstudioleiterin und zum Schluss als ARD-Direktorin. Da bis zum heutigen Tage in meiner Branche die Leitungspositionen männlich besetzt sind, waren es immer und überall Männer, die mir eine Aufgabe zugetraut haben, sie mir angeboten haben. Und ich habe, siehe Regensburg. Zugepackt. Nicht gezögert.

Was man als Frau in einer Bewerbung nie sagen sollte....

Das ist die eine Botschaft, die ich jungen Frauen immer mitgeben will: nicht diese Sätze wie: das passt derzeit nicht in meine Lebensplanung. Das muss ich mit meinem Mann besprechen. Mit meinen Kindern, und ganz schlimm: “Was- das trauen Sie mir zu?“ Nie habe ich solches von männlichen Job-Bewerbern gehört, wenn ich denen was anbieten konnte.

Wenn sich etwas für uns Frauen ändern soll, dann sind es für mich auch mehr Frauen in Führungspositionen. Die dann ganz konsequent auch Frauen fördern können. Sonst wird das nichts mit der Gleichberechtigung und mit den gleichen Chancen. Und deshalb brauchen wir überall in allen Bereichen eine Quote. Basta.

Wenn wir es bis dahin schaffen wollen, müssen wir aber auch an einem Schwachpunkt arbeiten, der mich immer wieder aufregt: unsere Stimme.

Letzte Woche durfte ich an einer hochkarätig besetzten panel discussion vom Auswärtigen Amt und der Stiftung Wissenschaft und Politik teilnehmen. Die hochengagierte Leila Zerrougui, Vertreterin des UN General Sekretärs und Repräsentantin für Kinder in bewaffneten Konflikten kam gerade aus Nigeria zurück. Sie erinnern sich. „Bring back our girls.“ Sie trat ans Rednerpult, wir alle hochgespannt. Und sie begann zu sprechen. Nur- wir haben sie schwer verstanden. Nicht, dass sie nicht ein hervorragendes englisch gesprochen hätte. Nein, ganz simpel.

Wir müssen gehört werden- also muss das Mikrofon hochgestellt werden

Das Mikrofon war zu hoch eingestellt. Sie selbst fand es wohl nicht wichtig, es zu sich und ihrem Mund herunter zu ziehen. Warum ich das erzähle?

Weil es heute ja auch heißt: die Stimme- erheben.

Das heißt unsere Stimme muss gehört werden – können.

Und gerade wir Frauen haben da einen kleinen Nachteil. Unsere Stimmen sind oft nicht so laut, so mächtig, kraftvoll wie die der Männer. Also werden wir oft nicht gut gehört.

Das ist höchst bedauerlich, ärgerlich. Wobei ich noch gar nicht von den Inhalten rede.

Wir müssen darum auch auf unserem Weg „gehört zu werden“ an unserer Stimme arbeiten. Stimmtraining machen. Ich empfehle das immer wieder. Bei Vorstellungsgesprächen, Bewerbungen. Ich ärgere mich maßlos, wenn eine kluge, tolle Frau redet und nicht gehört wird. Weil sie es vergisst oder sich geniert ihr Mikrofon auf ihre Mundhöhe einzustellen. Weil ihr niemand gesagt hat, wie sie das Mikrofon zu halten hat.

Nämlich an den Mund , und nicht parallel dazu. Denn dann spricht sie darüber hinweg, der Ton fliegt in den Raum und ist nicht in den Lautsprechern zu vernehmen.

Oder weil ihr Resonanzraum nicht gestützt wird, weil sie nicht gerade steht, falsch atmet. Die Vokale nicht bildet, die letzten Buchstaben verschluckt. Sie merken, hier spricht die Radio- und Fernsehjournalistin. Dabei ist es mir auch nicht in den Schoß gefallen.

Notfalls Sprechunterricht machen

Ich habe, als ich von der Zeitung zum BR ging, erst mal Sprechunterricht genommen. Bei einer Nachrichtensprecherin. Habe mir ein Buch gekauft: die Kunst der freien Rede. Und bin zum ersten Mal auf einer Familienfeier aufgestanden – gegen den Willen meines damaligen Mannes, und habe eine Rede geredet.

Sicher erinnern Sie sich auch noch an Ihre erste Rede? Das angespannte Gefühl im Bauch, in der Magengegend? Und die Freude, wenn es gut gelaufen ist?

Ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass Sie alle in ihren Ämtern, Positionen, Gremien, Foren, im Bundestag etwas zu sagen haben. War das immer einfach? 

Vielleicht kennen Sie auch solche Situationen. Ich war 7 Jahre die einzige Frau im Direktorium des NDR. Lauter tolle wunderbare Herren. 9 an der Zahl. Ich melde mich. Sage kurz und knapp- komme von den 1.30 der Heute oder der Tagesschau – was ich zu einem TOP meine und denke und vorschlage. 

Der Intendant guckt mich zwar an, ich sehe aber, es zieht an ihm vorbei. Er gibt ohne eine Antwort an mich das Wort weiter an den nächsten Direktoriumskollegen. Der redet viel, schwurbelt herum, da eine Anekdote, dort was zum Lachen. Alle Männer lachen mit. Am meisten der Intendant. So geht das eine Weile in der Runde. Bis einer wieder mit vielem Geschwurbel vorher und nachher, meinen Vorschlag mit anderen Worten vorbringt. Und siehe da: Begeisterung, was für eine gute Idee. Das müssen wir machen...

Was wir Frauen falsch machen

Ich fasse mich an den Kopf.

Was habe ich falsch gemacht? Nach Stimmausbildung und knapper, präziser Aussage.

 Ich habe es mal ein Jahr mit Coaching versucht. Mit männlichem Coaching. Und der Frage: ob es etwas bringt, wenn man ähnlich wie die Männer, vorher und nachher kleine Anekdoten erzählt, das genannte Geschwurbel absondert.

Liegt mir aber nicht. Also habe ich es nach einigen Versuchen wieder gelassen. Viel besser funktioniert es, wenn man sich vor den Sitzungen Verbündete sucht. Das Thema abklärt. Wenn zwei andere, und dann Männer, ein Thema ergänzen, bejahen, erläutern- dann geht es durch.

Inzwischen stelle ich fest, dass in reinen Frauen-Sitzungen kürzer und präziser geredet wird, schneller entschieden. Da gibt es dann andere Hürden auf dem Weg zu bewältigen.

Wir sind nicht besser als die Männer, einfach nur: anders...

Unabhängig aber von vielen solcher Erlebnisse gilt für mich unverändert der liebenswerte, bayerische Spruch. Ich übersetze ihn mal: vom denken können es die Leute nicht wissen, sagen muss man es ihnen.....

Und sagen, heißt reden. Laut und deutlich. Klar und vehement. Wenn wir Frauen etwas erreichen wollen, etwas bewegen, auf den Weg bringen, dann müssen wir reden- oder wie ich: Schreiben.  Oder wie jetzt immer mehr: bloggen, twittern. Lesbar, hörbar, sehbar werden.

Vernetzen wie schon die DAB-Frauen 1926

Weil sich  wohl so viele Frauen über die Männer und ihr Verhalten ihnen gegenüber geärgert haben, haben sich einige engagierte Frauen auch schon frühzeitig zusammen geschlossen. Zum Beispiel 1926 zum Deutschen Akademikerinnenbund.

 Elisabeth Selbert war damals dabei, eine der drei Mütter des Paragraphen 3 im Grundgesetz: Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

Mein Gott. War das ein langer Weg.  Acht Jahre zuvor war erst das Wahlrecht erstritten worden. Die ja wirklich klugen Männer, erinnern wir uns, waren sich damals bei der Verfassung des Grundgesetzes einig gewesen:  diesen Gleichberechtigungsparagraphen brauchen wir so nicht. Erst als sich die Frauenverbände in Deutschland von der Elbe bis zur Isar, dem Rhein und von der Spree einen wahren Sturm entfachen( Theodor Heuss: Quasi-Stürmlein) gelingt es diesen wichtigen Paragraphen durchzusetzen.

Gerade diejenigen Frauen, die ihre Stimme erhoben haben, die damals nicht gekuscht haben, die für sich selbst und für uns alle den Weg geebnet haben, die sind es , die wir nicht vergessen dürfen. Und in deren Sinne auch ich mich bis zum heutigen Tage öffentlich engagiere und einbringe. Damit unsere Enkeltöchter eines Tages sagen: was haben die Großmütter da gemacht? Für Gleichberechtigung gekämpft?

Schnee- von gestern.

In diesem Sinne...