04.04.2019, Frauen in der Wissenschaft

Vortrag Im Schülerforschungszentrum Xenoplex/Bildungscampus Gengenbach

Ich weiß nicht, wie gut Sie sich alle noch an das Ende Ihrer Schulzeit erinnern? Wussten Sie genau schon, was Sie werden wollten? Was Sie sich überlegten, was kommt jetzt? Was will ich? Was kann ich? Auf was habe ich Lust?
Ich gestehe, dass ich es schon früh wusste, ich wollte Journalistin werden, mich haben immer Menschen interessiert. Und ihre Geschichten.

Jetzt bin ich gebeten über Frauen in der Wissenschaft zu sprechen. Mich hat der Journalismus dann ganz am Ende auch in die Wissenschaft geführt, erst an die Universität Hamburg. Da ging es in den Seminaren der Wirtschaft/Soziales-Fakultät um Medien und Wirtschaft. Jetzt lehre ich in Paderborn in der Philosophie „Frauen-Krieg-Gewalt“. Auch weil ich zu diesen Themen in vielen Ländern die Situation der Frauen recherchiert habe.

Jetzt aber heute zu den Frauen in der Wissenschaft. Wenn ich hier so umher sehe, dann sind es XXXX....junge Frauen als junge Männer - ich denke das liegt an der Überschrift heute. Aber kluge junge Männer interessieren sich auch für Mädchen, für Frauen. Und jetzt die Klischeefrage: Wer ist besser in Mathe?
Wer von den jungen Frauen interessiert sich für die MINT-Bereiche, also für Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik?

Ich möchte heute vor allem die jungen Frauen motivieren sich für diese Wissenschaften zu interessieren. Sich dorthin zu gegeben. Denn: in all diesen Fächern ist unterm Strich auch mehr Geld zu verdienen, als in der Philosophie, Germanistik, oder gar in der Psychologie. Wie überhaupt in allen typischen Frauenberufen. Und ich gehe doch zu Recht davon aus, dass Sie sich eines Tages als Erwachsene selbst ihr Geld verdienen möchten, unabhängig sein, sowohl vom Vater als auch von einem Ehemann? Oder?

Und in einer Ehe, gar mit Kind, dann nicht diese Diskussionen führen möchten: Wer bleibt jetzt erst mal zuhause `Wer bringt mehr Geld heim? Wer bekommt in seinem Job weniger??. Und ich sage bewusst bekommen und nicht verdienen. Denn darauf läuft es dann heraus...das sagen alle Studien, das weiß ich aus eigener Erfahrung.

Also: Mädchen lernt mehr Mathe. Warum die Mathematik-Begabungen und Kenntnisse gerade bei uns im Westen Deutschlands bei Frauen so wenig weit ausgeprägt sind, möchte ich Ihnen gerne mit ein paar Beispielen erklären:

Vor rund 25 Jahren lag der Anteil der weiblichen Studenten an den deutschen Hochschulen noch knapp unter 40 Prozent. Zehn Jahre später, also vor 15 Jahren, war die Lücke fast geschlossen und es studieren heute anteilsmäßig fast so viele Frauen wie Männer, nämlich knapp 50 Prozent. In manchen Fächern, also zum Beispiel in Jura oder Medizin liegen die Anteile inzwischen deutlich höher. Ganz zu schweigen von den schon zitierten Fächern Kunst, Psychologie oder Germanistik.

Nur- in allen Fächern, die viel Mathematik voraussetzten, ist das anders. In der Physik machen zum Beispiel nur 20 Prozent Frauen einen Abschluss an der Uni. Vor allem im Lehramt. Bei den Bauingenieuren machen Frauen nur ein gutes Viertel aus. Bei den Wirtschaftsingenieuren ist es nicht anders, und ganz finster wird es im Kapitel Informatik: nur ein Fünftel sind Frauen.

Dabei möchte ich ihnen auch erzählen, dass in diesem Jahr, 2019, zum ersten Mal eine Frau, die 76jährige Amerikanerin Karen Uhlenbeck, den Abel-Preis für Mathematik erhalten hat.

Das ist so was wie der Nobelpreis. Denn für Mathe gibt es den noch nicht. Bisher haben ausschließlich Männer diese Auszeichnung erhalten- Plus 620 000 Euro. Sie sagte später im Interview von sich: „ich war kein angenehmes Kind, immer angespannt, wollte alles verstehen, stellte dauernd Fragen.“ Und später an der Uni of Michigan: “Ich entdeckte die Eleganz der Mathematik, und ich verlor mein Herz an sie“.

Dass Frauen in diesen Berufsfeldern, wie Mathematik, Bau- und Wirtschaftsingenieure fehlen, zeigt sich auch schnell am monatlichen Gehaltszettel.

An der amerikanischen Cornell-Universität haben Wissenschaftler genau aufgezeigt, dass im „Gender-Wage-Gap“ Frauen über alle Berufe hinweg derzeit etwa 80 Prozent dessen erhalten, was die Männer bekommen. Und: das zieht sich durch das ganze Berufsleben, hat später Auswirkungen auf die Rente. Die im Westen Deutschlands bei den Frauen immer noch weit unter der der Männer liegt. Das ist fatal, und hängt aber leider auch mit unserem System zusammen: kaum Ganztagsschulen, wenig Ganztagskindergärten, das Wort „Rabenmutter“ gibt es nur in der deutschen Sprache.

Zielt auf die Mutter, die einfach nur das gleiche möchte wie der Vater: Familie, Kinder, und einen Beruf. Sie möchte sich zudem entscheiden können, was sie wann tut. Ich will dabei auch noch erwähnen, dass die angepeilte Teilzeitarbeit in der Kinderpause später der Rentenkiller schlechthin ist....darum sogar die Forderung aus dem Bundesfamilienministerium: Frauen: lasst die Teilzeit bleiben“. Von den deutschen Frauen zwischen 30 und 54 Jahren arbeitet jede zweite Frau in Teilzeit. Oft bis zur Rente. Obwohl es die sogenannte Brückenteilzeit jetzt gibt, also die Rückkehr aus der Teilzeit auf eine Vollzeitstelle.

Aber wieder zurück zur Wissenschaft: Woher kommt es nun, dass wir Frauen uns weniger den Mathematik-nahen Berufen und Studienfächern zuwenden mögen? Ich will Ihnen dazu eine tatsächlich passierte Anekdote erzählen. Es ist kaum zu glauben. Aber der renommierte Präsident der Harvard-Universität Lawrence Summers behauptete doch glatt, wir Frauen taugen nicht als Naturwissenschaftler. Rein biologisch. So seine Argumente. Das Testosteron, ein Hormon das Männer größer und schwerer werden lässt, sei schuld.

Es verändere zudem die Hormonstruktur schon im Mutterleib. So haben männliche Babys bereits zehn Prozent mehr Gehirnmasse. Jetzt kommt es aber: weibliche Gehirne sind zwar kleiner, aber enthalten prozentual mehr graue Hirnsubstanz, die aus Neuronen besteht. Das sind kleine Zellen, die für Funktionen im Nervensystem verantwortlich sind. Im Gehirn befinden sich Millionen von Neuronen, Wissenschaftler gehen davon aus, dass bei der Geburt rund 80 Millionen vorhanden sind.

Das alles weiß man- was es mit der Entwicklung von Jungen und Mädchen tatsächlich macht, weiß man bis heute aber nicht. Die unglaubliche Behauptung des Harvard-Präsidenten , Männer seien eher mathematisch begabt als Frauen, führten dann am Ende dazu, dass er seinen Posten los wurde. Ade Mr. Summers.....

Jetzt wird des aber spannend, ausgerechnet zwei französische Wissenschaftler wollten anhand des Experiments „Wiedervereinigung“ untersuchen, ob der Studien- und Berufswahl vielleicht nicht doch viel mehr rationale Entscheidungen zugrunde liegen.

Die beiden Forscher der Sorbonne kamen nämlich drauf, dass in den Neuen Bundesländern, also in der ehemaligen DDR, bis heute die Mädchen bessere Noten in Mathematik haben,, als die Mädchen hier im Westen. Sie fühlen sich, so die Ergebnisse, auch weniger durch Mathe gestresst, und unterscheiden sich kaum von ihren männlichen Mitschülern. Wie das?

Sie erhielten auch nicht mehr Schulstunden, die Schüler im Osten, als die im Westen. Es hängt, so die beiden Ökonomen, auch nicht an den Methoden der Lehrer, auch nicht an der stärkeren protestantischen Prägung der ostdeutschen Familie.

Nein, es ist viel simpler:
In der DDR, wie in fast allen östlichen ehemals kommunistischen Ländern, ist die berufstätige Frau Selbstverständlichkeit. Noch nach der Wende 1990 haben 89 Prozent aller ostdeutschen Frauen in einem Beruf gearbeitet, und 92 Prozent der Männer. Im Westen lagen damals die Vergleichszahlen bei 56 Prozent Frauen und 83 Prozent der Männer. Und heute?
Nicht viel anders. Im Osten arbeiten 80 Prozent der Frauen, im Westen 65 Prozent.

Die Konsequenz: Berufstätigkeit ist dort für Frauen so normal wie für Männer. Und wenn es nicht die Rückfallposition für Frauen „ ich bleibe zuhause, kümmere mich um die Kinder und Du gehst arbeiten“, wenn es die einfach gar nicht gibt, dann sei das schulische Engagement der Mädchen auch sehr viel mehr mit dem Blick auf einen späteren beruflichen Erfolg geprägt. So jedenfalls die französischen Wissenschaftler.

Ich hoffe auch sehr, dass keine der jungen Frauen hier jemals von ihrem Vater den Satz gehört hat: „Mathe brauchst du doch gar nicht, lerne Sprachen und geh auf eine Haushaltsschule-Du heiratest ja sowieso“. Das hat mir z. B. mein eigener Vater gesagt, als ich ihm erklärte Abitur machen zu wollen.
Übrigens. In vier Ländern ist Mathematik gewissermaßen weiblich: In Albanien, Bulgarien, Litauen und Mazedonien...noch Fragen?

Sollten Sie sich jetzt für ein MINT-Studium entscheiden, vorher in der Schule noch richtig Gas geben in Mathe, gar nach dem Studium eine Tätigkeit an der Universität planen, dann sollten Frauen wissen, dass sie als Professorinnen bundesweit im Schnitt 650 Euro im Monat weniger bekommen, als die männlichen Kollegen. Das ist total ungerecht und hat sich aber bis heute nicht geändert. Grundlage für diese meine Erkenntnis ist das Besoldungsranking des Deutschen Hochschulverbandes.

Diese Statistik aber liefert leider keine Gründe für die Lohnunterschiede. Da diese Statistik einen Mittelwert benennt, spielt es ganz sicherlich auch ein große Rolle, dass in den
hochdotierten W3-Professuren, und an der Spitze der Universitäten als Präsidenten überwiegend nur Männer sitzen. Frauen sind an den Universitäten einfach eine Minderheit. Aber lassen Sie sich nicht entmutigen. Wir dürfen nicht aufgeben.

Ein zweiter Punkt, der uns Frauen schadet: Wir kennen das in allen Bereichen: in der Wirtschaft ebenso wie derzeit im Bundestag, in der Wissenschaft wie in den Medien - da komme ich her:
Unbewusste Vorurteile gegen uns Frauen sind bei den Millionen Männern in den Führungspositionen dabei der Hauptgrund und sie sind allgegenwärtig. Ich möchte Ihnen dazu eine nette Geschichte erzählen.

Es geht um einen –nennen wir ihn -Howard, er ist erfolgreich im Venture –Capital unterwegs, ehemaliger Unternehmer und Netzwerker. Dazu eine höchst einflussreiche Person im Silicon Valley. Mitbegründer einer erfolgreichen Technologiefirma, dann in leitender Funktion bei Apple und schließlich erfolgreich mit Risikokapital. Jetzt derzeit Mitglied der Verwaltungsräte renommierter Unternehmen. Befreundet mit Bill Gates. Eine „echte“ Person.

Studenten in Harvard sollten jetzt Howards Leistungen bewerten. Sie stuften ihn als kompetent und effizient ein, sagten, er gefalle ihnen und sie würden gerne mit ihm zusammenarbeiten. Jetzt kommt es aber. Howard gibt es gar nicht, Denn Howard ist eine Frau und heißt Heidi.
Große Augen unter den Studenten- und ihre Beurteilung: sie finden Heidi so kompetent und effizient wie Howard- aber sie gefällt ihnen nicht mehr und sie wollen nicht mit ihr zusammenarbeiten.

Fazit: die Führungskraft ist in den Köpfen männlich. Frauen können nicht gewinnen. Sie müssen gar zwischen Kompetenz und Liebenswürdigkeit wählen.
Ich kann mich gut erinnern, wie ein Intendant mal zu mir sagt: Sie sind doch eigentlich, ja eigentlich, so nett....warum usw.

Das alles sind Gründe für die weltweit schlechtere Bezahlung von Frauen. In Deutschland liegt der Gap bei 22 Prozent. Für die gleiche Arbeit wohlgemerkt.

Was tun? Wir haben einen Paragraphen 3 im GG :Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Wenn Sie, liebe Schülerinnen, liebe junge Frauen auf dem Weg ins Leben, diese Gleichberechtigung erreichen wollen, dann müssen Sie sich einbringen in allen Bereichen. Wenn wir in den Führungsebenen mehr Frauen haben, dann werden auch wieder mehr Frauen gefördert und im Kopf heißt es nicht mehr unbedingt: eine Führungskraft muss männlich sein.

Dabei würde sich auch ein großartiges Auswahlverfahren empfehlen: Noch 1970 lag der Frauenanteil unter den Musikern der fünf wichtigsten Orchester in den Vereinigten Staaten bei gerade mal fünf Prozent. Heute: bei 35 Prozent. Wie kams? Es entwickelte sich das sogenannte „blinde Vorspielen“ hinter einem Vorhang oder Wandschirm. Die Bostoner waren die ersten. Inzwischen machen es alle Orchester in den USA so. Mit dieser Methode steigt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau eine Runde weiterkam um 50 Prozent.

Denn der Dirigent achtet jetzt nur noch auf die Töne, die aus dem Fagott, aus der Flöte oder Trompete kommen. Und nicht mehr auf Hautfarbe oder Geschlecht der Person. Ein schlichter Vorhang verdoppelte den Talentpool. Ein langer Weg. 48 Jahre lang....Ähnlich praktizierte es auch die Berline Antidiskriminierungsstelle: sie setzte durch, dass bei einer Bewerbung nicht mehr erkennbar war: ist das eine Frau, oder ein Mann? Ist das ein Ausländer? Oder ein Deutscher? Es ging schlicht und einfach nur um das Wichtigste: um die Qualifikation für diesen Job.

Die höchste Auszeichnung in der Wissenschaft ist der Nobelpreis, verliehen alljährlich durch die Königlich schwedische Akademie der Wissenschaften und noch drei weiteren Instituten. Bis 2018 wurden 776 Nobelpreise an Männer vergeben- und 51 an Frauen. Das sind nicht mal zehn Prozent. Ich habe einige der aktuellen Nobelpreisträgerinnen kennen lernen dürfen: Christina Nüsslein-Vollhard, die einzige Deutsche, die den Preis für Medizin bekam, genauer für ihre genetische Forschung an Fruchtfliegen.

Und die Amerikanerin Elisabeth Blackburn, die ihn in der Kategorie Physiologie und Medizin erhalten hat für Entdeckung wie Chromosome durch Telomere geschützt werden. Beide haben: nicht geheiratet, keine Kinder bekommen uns sich ausschließlich ihrer Wissenschaft gewidmet. Während die anderen über 700 männlichen Nobelpreisträger selbstverständlich heirateten, Kinder hatten. Da läuft einfach was richtig schief.

Wenn die Veranstalter und Organisatoren dieses Tages das Thema „Frauen und Wissenschaft“ gesetzt haben, dann kann ich an dieser Stelle nur fordern: Gleiche Chancen für Frauen und Männer, in allen Lebensphasen. Im privaten wie im beruflichen. Dann: die Einstellung der Männer verändern. Damit sie begreifen und es umsetzten: das Private ist politisch, das Poltische ist privat. –Spruch der 68er-Generation.

Damit nicht weiterhin Erziehungsarbeit zum Großteil von Frauen geleistet wird. Und: Damit Frauen gleichberechtigt den Weg in das Berufsleben, und heute unser Thema: in die Wissenschaft gehen können und wollen. Nicht ausgegrenzt, nicht diskriminiert, sondern partnerschaftlich. Mit oder ohne Kinder, mit oder ohne Familie in einer Gesellschaft, die endlich das Wort „Rabenmutter“ zum Unwort des Jahres ernennt...