Vortrag beim Deutschen Hirntumortag in Würzburg
Was war rückblickend die erste Reaktion auf die Diagnose? Welche Gefühle hatte ich?
Sie wissen es ja jetzt schon: ich hatte drei Gehirn-Tumor-Operationen, die letzte 2024, als vor knapp einem Jahr. Wie alles begann: darüber habe ich ein Buch geschrieben: Ich habe beschlossen, dass es mir nur noch gut geht-Leben mit dem Tumor. Was für eine Vision….wie blind, wie mutig? Ich will Ihnen über den Anfang ein wenig aus diesem Buch vorlesen:
„Ganz langsam gehe ich die Treppe hinunter. Halte mich mit der Hand fest am Lauf. Mein Mann geht vor mir. Er weiß von nichts. Soll ich es ihm sagen? Jetzt, gleich? Wann? Ich weiß es nicht.
Die Diagnose im Radiologie-Zentrum in Hamburg trifft mich „out of the blue“, wie es die Briten so schön nennen. Mitten in meinem so geordneten, aktiven „dritten“ Leben: ein Tumor im Gehirn. Ich fasse es nicht.
Mir ist schwindelig. Dabei ahne ich nicht, dass das „danach“ mein Dauerzustand sein wird. Eingehängt in den starken Arm meines Mannes gehen wir auf ein Cafe zu. Ich kann nur murmeln: “Mir ist nach einem starken Tee“.
Mein Mann fragt nach: „Was ist herausgekommen? Was sagt der Radiologe?“ Noch bevor wir die Mäntel aufhängen, es ist Winter und kalt in der Stadt, schaue ich ihn direkt an und sage:“ Ich habe einen Gehirn-Tumor“. Klaus guckt erst verständnislos, dann schüttelt er den Kopf. Ich sehe ihm an, dass er es nicht glauben kann, nicht glauben mag. Und dann kommt der Satz, den ich in den kommenden Wochen nicht mehr vergessen werde:“ Mach Dir keine Sorgen, Fröschlein, Du schaffst das.“ Fröschleinsein Kosename für mich.
Sein Satz dringt noch nicht ganz durch zu mir, ich schwebe noch irgendwie in einem dichten Nebel. Der Radiologe geht mir nicht aus dem Kopf. Als er mich zwanzig Minuten nach dem MRT, der Magnetresonanztherapie, zu sich zur Betrachtung der Bilder bittet. Er schiebt mir den Stuhl an seine Seite, die Bildschirme vor uns. Ich sehe meinen Kopf von innen. Angefüllt mit einem Kontrastmittel, damit man etwaige Veränderungen, Wucherungen oder Tumore besser erkennen kann. Und schon zeigt er mir ein Haselnuss großen Fleck. So kommt es mir vor. „ Das könnte“, sagt er vorsichtig, “ ein Tumor sein. Unten am Hirnstamm, sehen Sie das?“
Ich sehe es, ich betrachte das Innere meines Schädels wie eine Journalistin bei der Recherche. Dass es meiner ist, wird mir noch nicht so klar. Sechs Zentimeter tief in meinem Kopf. Meine erste Frage ist dann auch gleich: “ Ist das ein bösartiger Tumor?“ Und weiter will ich auch gleich wissen: “ Der muss raus?“
Immer noch reagiere ich vor allem professionell. Auch jetzt, vor den MRT-Bildern mit meinem Tumor. Nur in meinem Magen beginnt es zu drücken, als wenn ich Steine geschluckt hätte. „ Ob bösartig oder gutartig, das können wir von hier nicht wirklich beurteilen. Das kann erst festgestellt werden, wenn ein Histologe nach einer Operation oder einer Probe-Entnahme das Gewebe untersucht hat.“
Zehn Minuten später sitzen wir zusammen im Cafe, ich mit einem heißen, starken Tee. Mein Mann hat sich einen Milchkaffee bestellt. Rührt den Süßstoff gedankenverloren um. Mehrfach. Immer wieder. Wir sind stumm und still. Allmählich kehrt meine Denkfähigkeit zurück. Morgen früh um 8.30 Uhr bin ich beim Neurologen. Mit dem muss ich besprechen, was zu tun ist. Bis dahin? Füße still halten. Die Meinungen der Fachleute einholen. Und entsprechend das eigene kleine Leben organisieren. Mein lieber Mann legt seine große Hand auf meinen Arm. Schaut mich aufmunternd an und sagt es mir nochmals: “Du schaffst das, nur keine Panik“.
Dann beim Neurologen, im besten Mediziner-Deutsch über seinen visuellen Befund des Tumors :
„Zusammenfassend besteht der Verdacht auf ein Meningeom im Bereich der linken präpontinen Zisterne paramedian, sowie ein Frontobasismeningeom rechts. Die Patientin wird sich morgen früh bei Prof. Westphal zur Frage einer operativen Intervention vorstellen“.“
Fazit: ich habe nicht einen Tumor, sondern zwei Tumore im Kopf und sollte schnellstmöglich einen Termin bei einem Neurochirurgen zu einer Operation machen. Bei wem nur? Dr. Theis empfiehlt in Hamburg im UKE Prof. Westphal und in Essen in der Uniklinik Prof. Sure. Bei beiden habe er schon sehr gut operierte Tumor-Patienten gesehen.
Wie geht es jetzt weiter ????
zwei Spitzen-Operateure in Deutschland: Prof. Westphal im Hamburger UKE und Prof. Sure im Universitätsklinikum Essen. Nur: wie komme ich jetzt schnell an einen Termin?
Kein „weißer Gott“, sondern ein ganz normaler Mensch in Alltagskleidung, ein wenig gebückt und schnellen Schrittes, so verschwindet der Professor vorbei an der Sekretärin in sein Büro. Ich werde gleich herein gebeten. Die Bilder des MRT aus dem radiologischen Zentrum sind schon hochgeladen, das Sekretariat funktioniert perfekt.
Prof. Westphal wirkt entspannt und konzentriert, als er so vor mir sitzt in seinem relativ kleinen Chef-Büro. Hört mir zurückgelehnt in seinen Stuhl erst mal zu, schaut sich auf dem Bildschirm die Bilder an, scrollt rauf und runter. „Ja, das ist eindeutig ein Tumor am linken Kleinhirnbrückenwinkel. Möglicherweise ein Meningeom. Es geht von der Hirnhaut des Tentoriums aus. Hat einen Zapfen in den Hirnstamm gebildet, was diese Meningeome gerne bei ihrer langsamen Wuchsform tun.“ Sein Rat: die Gewebeherkunft dieses Tumors feststellen und dann den Tumor auch entfernen. „Denn irgendwann tritt eine Hirnstammschädigung auf, und dann wird es schwieriger zu operieren. Vor allem könnte das möglicherweise mit Folgen verbunden sein“.
Was ist ein Meningeom?
„Überwiegend gutartiger, der harten Hirnhaut anhaftender Tumor des Erwachsenenalters, der aus den Deckzellen der weichen Hirnhaut entsteht. Häufigkeit: etwa 25 % aller Tumoren des Zentralnervensystems. Manifestationsalter: gehäuft ab dem 5. Lebensjahrzehnt. Frauen sind zwei bis drei mal so häufig betroffen wie Männer. Gutartige Meningeome sind scharf begrenzte Tumoren, die nicht in das angrenzende Hirngewebe einwachsen. Der Schädelknochen über einem Meningeom ist jedoch nicht selten verdickt. Die WHO-Klassifikation unterscheidet bei den Meningeomen drei WHO-Grade:
o WHO-Grad I: Diese Tumoren machen über 85 Prozent aller Meningeome aus, sind gutartig, operativ meist komplett entfernbar und prognostisch günstig.
O WHO-Grad II: Atypische Meningeome, zeichnen sich durch ein erhöhtes Wachstumspotential aus. Sie machen etwa 10 Prozent aller Meningeome aus und haben selbst nach kompletter operativer Entfernung eine hohe Rezidiv Quote. Deshalb sind regelmäßige Nachkontrollen nach der Operation erforderlich.
O WHO-Grad III: anaplastische Meningeome sind relativ seltene aber bösartige Tumore der Hirnhäute. Sie machen 2 bis 3 % aller Meningeome aus. Eine Absiedlung von Tochtergeschwülsten in entfernte Organe ist möglich und die Prognose ist insgesamt ungünstig. Eine postoperative Strahlentherapie ist erforderlich.“
O Patienten, die aus internistisch-anästhesiologischen Gründen nicht operiert werden können, versterben überwiegend im Lauf der folgenden sechs Monate.
(Quelle: Tonn Jörg-Cristian et al: Oncology of CNS Tumors, Springer Verlag 2010 und Mehdorn HM, Buhl R. 2005 , Brainstorm 2 ))