03.06.2011, Kinder haben Rechte

Rede auf dem Bundesverbandstag des Deutschen Familienverbandes am 3.Juni 2011 in Königs Wusterhausen/Blossin

Sie sagen vielleicht: na und, ist doch klar. Aber so einfach ist das nicht.

Ich möchte Ihnen am Beispiel Deutschland erklären, warum auch hier bei uns die Kinderrechte nicht durchgängig geachtet werden.  Warum sie in das Grundgesetz müssen (siehe Kommentar "Kinderrechte gehören ins Grundgesetz"), wie in unseren Nachbarländern längst geschehen. Erst im Januar dieses Jahres haben die Österreicher ohne viel Getöse die Kinderrechte in ihre Verfassung geschrieben.

Nur zwei Länder haben nicht unterschrieben

Alle Staaten der Welt –mit Ausnahme der USA und Somalias- sind mit der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention die Verpflichtung eingegangen, "alle geeigneten Gesetzgebungs-,Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte“ zu treffen. Und dazu gehört die Aufnahme der Kinderrechte in die Verfassung.

Ein Blick auf unser Grundgesetz zeigt, dass die Kinder zwar in Artikel 6 erwähnt werden. Sie sind jedoch nur, und jetzt wird es juristisch:“Regelungsgegenstand“ der Norm, also Objekte:“ Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“.

Logische Folge: Kinder werden nicht als Rechtssubjekte behandelt, Kinderrechte finden keine Beachtung. Dabei hat das Bundesverfassungsgericht immer wieder in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass sich elterliche Pflege und Erziehung stets am Kindeswohl als oberster Richtschnur zu orientieren haben.

Aktionsbündnis fordert Kinderechte im Gesetz

So ist auch auf Grund der Rechtsprechung des BVG´s ganz klar, dass ein Kind „ein Wesen mit eigener Menschenwürde und einem eigenen Recht auf Entfaltung seiner Persönlichkeit ist“.

Weil aber unser Grundgesetz weder den in der UN –Kinderrechtskonvention verankerten Vorrang des Kindewohls, noch den grundlegenden Gedanken dieser völkerrechtlichen Konvention umsetzt, fordert UNICEF, zusammen mit dem Aktionsbündnis „Kinderrechte“ die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz.

Ich will Ihnen das im Einzelnen erläutern:  

Das Kindeswohl muss Vorrang haben bei allen Kinder betreffenden Entscheidungen. Das betrifft zum Beispiel alle strittigen Rechtsfragen, oder wenn Kommunen Wohnviertel und Straßen bauen. Sollte sich eine Stadt entschließen auf Grund der Haushaltsplanung die Kinderspielplätze oder Einrichtungen für Jugendliche zugunsten von Straßen und Projekten für Erwachsene zu streichen, könnten die Rechte der Kinder eingeklagt werden.

Immer gilt das Kindeswohl 

Oder: wie Eltern sich verhalten, wie sie handeln. Dies muss alles unter dem Vorrang des Kindeswohls geschehen. Wären die Kinderrechte im grundgesetzt verankert, dann könnte der Schutz der Kinder eingeklagt werden. Z. B. Bei Vernachlässigung oder Gewalt, durch Eltern oder andere Privatpersonen, oder durch Mängel und Fehler in öffentlichen Institutionen.

Ein weiterer wichtiger Punkt: Das Recht des Kindes auf Anerkennung als eigenständige Persönlichkeit. Dabei müssen dann Eltern bei der Ausübung ihrer im Grundgesetz verankerten Rechte mit abnehmender Bedürftigkeit und wachsender Einsichtsfähigkeit der Kinder deren Rechte berücksichtigen, sie müssen sie an allen die Kinder betreffenden Entscheidungen beteiligen. Wie gesagt: entsprechend dem Alter der Kinder.

 In Deutschland sind wir noch weit entfernt von Kinderechten

Die Kinder als eigenständige Persönlichkeiten mit eigenen Rechten zu achten und in der Gesellschaft zu beteiligen – davon sind wir in Deutschland noch ziemlich weit weg. Das entspricht noch nicht durchgängig der allgemeinen öffentlichen Meinung, um das mal vorsichtig zu formulieren. Geschweige denn der täglichen Praxis in Elternhaus, Schule, kommunalen Einrichtungen sowie Verwaltung und Politik. Schon diese lange und mühevolle Diskussion um die Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz zeigt, wie wichtig es ist, die Menschen in diesem Lande mit den Kinderrechten vertrauter zu machen.

Insgesamt würde der Staat noch stärker in die Pflicht genommen werden, wenn es um die Wahrnehmung seiner Verantwortung für Kind gerechte Lebensverhältnisse und um gleiche Entwicklungschancen für alle Kinder und Jugendlichen geht. Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte ist es wichtig. Wenn es um die rund 2,5 Millionen Kinder, die von Harzt IV leben geht. Dazu aber auch um die etwa eine Million, die in Familien lebt die ebenfalls auf staatliche Hilfe als Aufstocker angewiesen ist.

Denn diese Kinder haben erwiesenermaßen schlechtere Bildungschancen. Da die Gesellschaft immer weiter in Arm und Reich auseinanderdriftet, wird das immer dramatischer. Der Schulerfolg von Kindern hängt stark von der Bildung der Eltern ab. Auch das ist nicht fair, auch das diskreditiert Kinder.

Schutz bei Gewalt und Vernachlässigung

Ganz zu schweigen von der wachsenden Zahl von vernachlässigten Kindern. Die Kinderrechte im Grundgesetz würden Kinder umfassend vor Gewalt, Vernachlässigung und Ausbeutung schützen und ihnen ihr Recht auf eine gewaltfreie Erziehung garantieren.

Es ist ja noch gar nicht so lange hier, dass in Deutschland eine Ohrfeige, ein Klapps zur rechten Zeit, wie heißt es schön, noch niemandem geschadet habe…. Sie erinnern sich sicher an diese Diskussion. Das ist, so hoffe ich, für die Kinder in Deutschland, endgültig vorbei.

Die UN-Kinderrechtskonvention ist jetzt 22 Jahre alt. Die Bundesregierung, damals unter Kanzler Kohl , hatte sie zwar rasch ratifiziert. Aber nur mit fünf Vorbehalten.

 Endlich ist der deutsche Vorbehalt raus

Einer davon betraf das Asyl- und Ausländerrecht. Jetzt endlich, im Juli vergangenen Jahres, 21 Jahre später, hat die Kanzlerin Merkel mit ihrer Bundesregierungdie Vorbehalte endlich zurückgenommen. Kinderrechte gelten jetzt auch für ausländische Kinder ohne geregelten Aufenthaltstitel. Die bisher gravierenden Nachteile bei der medizinischen Versorgung, bei Schule und Ausbildung bis hin zu nicht kinderechtem Umgang im Asylverfahren und bei Abschiebungen sind vom Tisch. 21 Jahre nach der Ratifizierung. Immerhin.

Ich erwähnte zu Beginn meines Berichtes, dass zwei Länder die Konvention nicht unterschrieben haben: Somaliabis zum heutigen Tag nicht, weil der Staat seit 1991 von rivalisierenden Clan-Milizen beherrscht wird. Es gab und gibt bis heute keine Regierung, die völkerrechtlich verbindliche Vereinbarungen hätte treffen können. Ob sich die Übergangsregierung in Somalia etablieren kann und das Land bald wieder Frieden erleben wird- ist ungewiss.

In den USA können Jugendliche mit dem Tode bestraft werden

Ja, und die Vereinigten Staaten. Die haben die Konvention zwar 1995, also sechs Jahre später unterzeichnet. Bislang aber war noch kein Kongress bereit, sie zu ratifizieren. Dies ist übliche politische Praxis. Die USA haben nur wenige internationale Menschenrechtsabkommen formell in Kraft gesetzt.

So gibt es in Washington Vorbehalte,neben den politischen auch soziale, wirtschaftliche und kulturelle Menschenrechte anzuerkennen. Außerdem sind die Bundesstaaten in wichtigen Aspekten der Gesetzgebung unabhängig. So kann in einigen Staaten die Todesstrafe gegen Kinder verhängt werden, wenn diese zur Tatzeit minderjährig waren.Das widerspricht nun wirklich komplett der Kinderrechtskonvention. Und zeigt, wie wichtig sie auf der anderen Seite ist.

 Ich möchte Ihnenjetzt inKurzfassung nochmals einige Kinderrechte aus der UN-Konvention nahe bringen. Wir können ja dann im Anschluss darüber diskutieren, in wie weit Sie glauben, dass wir uns in Deutschland politisch korrekt verhalten.

O Alle Kinder haben das Recht gleich behandelt zu werden. In vielen Ländern sind jedoch zum Beispiel Mädchen schlechter dran als Jungen. Sie dürfen etwa nicht zur Schule gehen. Oft werden Kinder auch wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft oder Religion ausgegrenzt. Aber: kein Kind darf wegen seines Geschlechts, seiner Hautfarbe oder seiner Herkunft benachteiligt werden.

 o  Elterliche Fürsorge. Die Eltern müssen sich um ihre Kinder kümmern und wenn sie geschieden sind, haben Kinder das Recht beide Elternteile zu besuchen. Wenn jemand sein Kind vernachlässigt, hilft das Jugendamt. In vielen anderen Ländern ist da niemand, der sich um die Kinder sorgt, die ihre Eltern verloren haben.

O Viele Kinder auf der Welt müssen viele Stunden am Tag hart arbeiten. Und sie bekommen dafür nicht einmal angemessenen Lohn, manchmal werden sie sogar geschlagen. Für die Arbeitgeber ist Kinderarbeit ein gutes Geschäft. Denn Kinder wissen oft nicht, dass sie ausgebeutet werden, und wehren sich nicht, obwohl sie das Recht dazu hätten. Das Recht auf Schutz vor Ausbeutung.

Grundrecht auf Bildung für alle Kinder

O Kinder haben das Recht auf Bildung. Alle, egal woher sie kommen. Aber: Millionen Kinder können oder dürfen nicht zur Schule gehen. Dabei ist Bildung so wichtig. Nur so kann der Teufelskreis der Armut durchbrochen werden.

O Kinder dürfen nicht im Krieg als Soldaten eingesetzt werden. Auch auf der Flucht gibt es ein Recht auf besonderen Schutz und Hilfe. Aber: in den 42 Kriegs- und Krisengebieten dieser Welt sind es vor allem die Kinder, die leiden, als Flüchtlinge in Lagern leben oder als Soldaten andere töten und unter lebenslangen Traumata leiden.

Das sind nur einige, als Beispiel. Die Kinderrechtskonvention ist aber nicht nur irgendein Papier, das erstaunlicherweise von allen Völkern der Vereinten Nationen ( bis auf die genannten) unterzeichnet wurde. Nein, es ist ein verbindliches völkerrechtliches Instrument, für das die Vereinten Nationen, die Regierungen und die Zivilgesellschaften feste Institutionen und Mechanismen zur Umsetzung geschaffen haben:

Da gibt es die verpflichtenden Berichte an den UN-Ausschuss. Zwei Jahr nach der Ratifizierung müssen die Staaten, die der Konvention beigetreten sind, vor dem UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes in Genf Rechenschaft ablegen. Danach ist alle fünf Jahre ein neuer Bericht fällig.

Der Ausschuss hört sowohl Vertreter von UNICEF und anderen Organisationen als auch die Regierungen an und erstellt die so genannten abschließenden Beobachtungen. Einen Bericht, der auch Empfehlungen zur weiteren Umsetzung der Kinderrechte enthält.

Wie hält es Deutschland?

 Und wir ordentlichen Deutschen? Wir haben den aktuellen Staatenbericht im April 2010 vorgelegt, mit einem ganzen Jahr Verspätung. Derzeit wird er in Genf im Ausschuss geprüft.

Dann gibt es Nationale Koalitionen: Da haben sich, auch hier bei uns NGO ´s zusammengeschlossen, um die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention kritisch zu begleiten. Mehr als 100 Organisationen sind es in Deutschland, darunter natürlich auch UNICEF. Sie alle, in der National Coalition, geben zum Staatenbericht einen so genannten Schattenbericht heraus.

 In 40 Ländern gibt es sogenannte Kinderbeauftragte. Ombudsmenschen, die sich gegenüber den Regierungen für die Kinderrechte stark machen. Im Aktionsbündnis Kinderrechte tritt UNICEF mit dem Deutschen Kinderschutzbund und dem Deutschen Kinderhilfswerk seit Jahren dafür ein, dass auch in Deutschland eine unabhängige Ombudsperson für Kinder berufen wird….Zukunftsvision. Leider immer noch.

Nelson Mandela sagt nicht ohne Grund: „Es ist gewiss, dass wir in unserer modernen Welt besser für unsere Kinder sorgen können, als wir es jetzt tun. Es gibt keine Entschuldigung dafür, denKindern eine gute Kindheit vorzuenthalten, in der sie alle Fähigkeiten voll entfalten können.“

Nein, es gibt keinen Grund. Packen wir´s an.